Dienstag, 6. Juli 2010

Blauer Dunst spaltet die Nation – Das bayrische Rauchverbot verleitet zu abstrusen Argumentationen

Nein, dieses Mal ist es nicht die schwarz-gelbe Koalition, die einmal mehr die Gemüter erhitzt und die Deutschen in zwei Lager trennen lässt. Dieses Mal entbrannte die Diskussion um ein Volksentscheid in Bayern, das nun endlich Schluss macht mit den unzähligen Ausnahmeregeln des Nichtrauchergesetzes. Die CSU gibt der erfolgreichen Bürgerinitiative „Bayern sagt NEIN!“ kleinlaut Recht und ist überraschend doch für den Schutz seiner Bürger. Dabei sind Seehofer und Co., die angeblich das beste Gespür für die Belange des Volkes haben, erst Schuld daran, dass es zum Plebiszit kam. Wären sie dem Drängen der Gastronomie mit fragwürdigen Argumenten nicht nachgekommen, hätten die Bayern sie nicht eines besseren belehren müssen.
Und damit diskutiert Deutschland wieder, ob ein bundesweit striktes und einheitliches Rauchverbot Sinn macht. Auch die Frage nach direkter Demokratie wird heftig gestellt und verteidigt, auch als Nachwehen der Wahl des Bundespräsidenten. Dass sich daran die Geister scheiden ist selbstverständlich und dient dem öffentlichen Diskurs über die politisches Gestaltung dieses Landes. Dass sich dabei jedoch beide Fronten mitunter mit fragwürdigen Argumenten bekämpfen ist der Sache hingegen weniger dienlich.
In der Financial Times Deutschland unterstellt Martin Reim zum Beispiel denjenigen, die am Sonntag für die Initiative gestimmt haben Menschenfeindlichkeit, weil sie den Rauchern ihre persönliche Freiheit aberkennen. Dabei hat das Rauchen in geschlossenen Räumen weniger mit der Entfaltung der Freiheit des Einzelnen zu tun, als mit der Einschränkung der Freiheit mehrerer. Der Journalist geht gar soweit, den Nichtrauchern vorzuwerfen, Behinderte bald aus ihrem Blickfeld verbannen zu wollen. Weniger irrational kann die Diskussion nicht geführt werden. Keiner der Ja-Sager hat über Raucher als Menschen geurteilt, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht ungeschützt dem schädlichen Rauch ausgesetzt sein möchten. Und die Konsequenz, dass Nichtraucher dann eben solche Lokalitäten meiden sollten, macht bei durchschnittlich 30% Raucheranteil auch für Gaststättenbetreiber wenig Sinn.
Auf der anderen Seite wird jedoch auch gerne für sich beansprucht, dass man Süchtige zu ihrem Glück zwingen muss. Zivilcourage sozusagen. Auch das geht zu weit. Denn jeder ist immer noch für sich selbstverantwortlich und hat das Recht auf freie Entfaltung. Zu behaupten, jemand anderes könne eher über das Glück seiner Mitmenschen entscheiden ist anmaßend. Hier wird oft übersehen, dass solche Nichtraucher schlussendlich immer im eigenen Interesse handeln und nicht zum Wohle der Raucher. Verständlich, denn gesundheitliche Risiken bestehen durchaus und wer riecht schon gerne wie ein Aschenbecher wenn er nach Hause kommt.
Es ist wieder einmal schwer, die Grenze zu ziehen. Wesentlich schwerer ist es jedoch, die wahren Argumente für das zu finden, was die Mehrheit der Deutschen ohnehin für richtig hält: kein Rauch in geschlossenen Räumen. Dabei wäre es durchaus in Ordnung, einmal nach Gefühl zu entscheiden und dies auch damit zu begründen. Denn wie der bayrische Volksentscheid beweist, fühlt sich die Mehrheit im blauen Dunst unwohl. Und das ist auch das Einzige, was damit bewiesen wurde.

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