Sonntag, 5. Dezember 2010

US-Depeschen: WikiLeaks ist der Aufregung nicht wert, wohl aber etwas Realismus

Was regt sich die Welt über Julian Assange und seinem Weltverbesserer-Verein WikiLeaks auf! Es ist mittlerweile schon fast auffällig, wie sehr die Hysterie dem damaligen Verfolgungswahn nach Osama bin Laden gleicht. Schweden nun also im Fokus amerikanischer Anti-Terror-Politik. Oder wo auch immer sich Assange im Moment aufhält (ganz heißer Tipp: London).
Clinton tobt, Merkel beschwichtigt, Berlusconi lacht, Pakistan ist entsetzt, Putin gelassen. Keine Regierung kommt glimpflich davon. Doch deren Anführer versuchen die Bedeutung der Depeschen herunterzuspielen. Fast als Mantra. Dabei brodelt es unter der Decke der post-depeschenen diplomatischen Feinzüngigkeit gewaltig. Nicht nur die Kleinstpartei FDP ringt mit ihrem „aggressiven“ Vorsitzenden Westerwelle und versetzten Maulwurf Metzner, auch die US-Regierung bemüht sich redlich darum, die Wogen zu glätten. Sie ist sogar auffallend bemüht, das Seelenheil ihrer Verbündeten wieder zu kitten.
Dabei kann sich die gute Hillary die Arbeit geflissentlich sparen. Schließlich brachte die Veröffentlichung keinerlei Neuigkeiten zutage.
Es ist allgemein bekannt, dass Karsai nicht mehr Büttel der USA, sondern des Geldes ist. Dass Berlusconi mehr einen Weiberheld als Politiker abgibt, Putin Diplomatie am liebsten mit einer Machete betreiben würde, und Pakistan gefährlich nah dem Kriegszustand steht, nicht nur territorial. Niemand wird bezweifeln, dass Merkel bei „Deutschland sucht das Super-Talent“ von der Jury eher bemitleidet wird und Westerwelle irgendwie nicht ganz das Format eines Außenministers besitzt.
Ebenso wenig sollte überraschen, dass solche Tatsachen eben auch Gegenstand der Kommunikation zwischen Washington und den Hauptstädten ist. Und die scheinheilig amüsierte Reaktion einiger Politiker wäre wohl tatsächlich die angebrachteste. Denn in der Diplomatie, vor allem der jenseits der öffentlichen Zugänglichkeit, haben rosige Worte nichts zu suchen und ist der Umgangston seit jeher sehr direkt.
Mehr als der Inhalt, sollte doch der Umstand aufstrecken, dass tausende geheime Dokumente, die im staatseigenem Netzwerk übermittelt wurden, ohne Probleme entwendet werden konnten. Die Sicherheitslücke ist das Problem, nicht die Lücke diplomatischer Feinfühligkeit. Vielleicht wäre Assange bereit, gegen das Heilen seines Verfolgungswahns, der amerikanischen Regierung beim Stopfen dieser Lücken zu helfen. Andernfalls wird er wohl bald ein WikiLeaks des WikiLeaks fürchten müssen, die seine großzügigen Informanten offenbaren werden.

Montag, 15. November 2010

CDU/CSU: Bürger sollen für Grundrechte bezahlen

Der Artikel 8 der Grundrechte gewährt allen Bundesbürgern, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis zu versammeln. In den vergangenen Monaten wurde dieses Grundrecht vermehrt in Anspruch genommen. So auch anlässlich der Castor-Transporte am ersten Novemberwochenende.
Laut Veranstalter versammelten sich ca. 50.000 Menschen um ihrer Wut, Enttäuschung und jeglicher weiterer Gründe die sie gegen die momentane Politik auf die Straße ziehen lassen, Ausdruck zu verleihen.
Ginge es nach der CDU, müssen Demonstranten zukünftig an den Kosten für Polizeieinsätze beteiligt werden. Ausschlaggebend waren die Proteste im Wendland, die mit 25 Mio. € zu Buche schlagen. Bernd Busemann, Justizminister in Niedersachsen, und Joachim Herrmann, bayrischer Innenminister, plädieren für eine Änderung des Versammlungsrechts, die unter anderem auch Gegenstand der Innenministerkonferenz am Mittwoch sein soll.
Mit dieser Forderung offenbaren die Schwesterparteien wieder einmal, dass sie sich mit den Demonstranten keineswegs verbrüdern wollen. Weiterhin sind sie außerstande zu realisieren, dass die Proteste Ausdruck einer breiten öffentlichen Strömung sind, die auch bereits bei ihrem Klientel, dem Bürgertum, angekommen ist. Das Gespür für die Belange, die das Volk bewegt, ist der CDU und CSU schon seit langem abhanden gekommen.
Beide Seiten, Protestierende und Regierende, warfen dem Gegner vor, unverhältnismäßig agiert zu haben. Die Polizei habe routiniert Pfefferspray eingesetzt, so der Sprecher der Anti-Atom-Initiativen. Dagegen äußerte sich die Polizeigewerkschaft mit der Behauptung, es sei zu „massenhaft zelebrierten Rechtsbruch“ gekommen. Es sind jedoch nicht die kleinen Schlamützel, die die Kosten in die Höhe trieben, sondern die schiere Anzahl derer, die von ihrem Grundrecht gebraucht machten. Schließlich spricht selbst Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann von einer „insgesamt friedlichen“ Veranstaltung.
Busemann und Hermann stellen mit ihrer Forderung sämtliche Demonstranten unter Generalverdacht und kriminalisieren pauschal alle Demonstrationen. Dabei versuchen sie genau einer Gruppe die Konsequenzen aus dem Betreiben von Atomkraftwerken aufzuladen, die auch vehement gegen die faktisch beschlossene Endlagerung in Gorleben ankämpft: den Bürgern. Denn nachdem der Bund die Forderung von Niedersachsens Ministerpräsident McAllister, die Kosten des Polizeiansatzes gerechter über mehrere Bundesländer zu verteilen, abgeschmettert hat und auch die Polizeigewerkschaft keinen Erfolg mit ihrem Vorschlag, die Energiekonzerne an den Kosten zu beteiligen, Erfolg haben wird, brauchen die Schwarzen einen Zahlmeister, der sich nicht so einfach wehren kann. Dass sie mit ihrem Ansinnen erfolgreich sein werden, ist zweifelhaft. Zumindest lenkt es die Debatte jedoch von den vermeidlich richtigen Forderungen an Bund und Atomkonzerne ab.
Bundesbürger dürfen ihrer Rechte nicht durch Auferlegung von Kosten, die durch deren Inanspruchnahme entstehen, beraubt werden. Dies gilt selbstverständlich nicht für Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. Der Staat muss sich als Garant der Grundrechte für deren Wahrung einsetzen, unabhängig davon, ob sie genutzt werden, um der Regierung das Missfallen ihrer Politik zu signalisieren.

Samstag, 6. November 2010

Wirtschaftsminister fordert Bevölkerung zum Unglücklichsein auf

Ganz nach Paul Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“ fordert Wirtschaftsminister Brüderle die Deutschen auf, sich ihrem Glück abzuwenden.
In dem am Donnerstag vorgestellten Grundsatzpapier zur Zukunft des Industrielandes Deutschland rät das Wirtschaftsministerium, Umwelt- und Klimapolitik der Wirtschaftspolitik unterzuordnen. Ziel sei es, „marktwirtschaftlichen Instrumenten Vorrang“ zu gewähren um so den Wohlstand auszubauen und das Wachstum zu beschleunigen, gesellschaftliche Ziele wie Umweltanliegen sollten „Aufwand und Ertrag nüchtern gegeneinander“ abwägen.
Dies bedeutet, Naturschutz muss den wirtschaftlichen Interessen weichen. Oftmals ist die Steigerung der Lebensqualität durch eine nachhaltige Lebensweise aber nicht monetär erfassbar. Zum Beispiel das Schaffen von Umweltzonen und Naturreservaten kann nicht mit den Mehreinnahmen einer alternativen industriellen Nutzung der Fläche aufgewogen werden. Und dennoch sind es eben solche Orte, die den Menschen mehr Lebensqualität und Wohlstand sichern. Unter einer Kosten-Nutzen-Rechnung gäbe es womöglich keinen spürbaren Umweltschutz, schließlich sind sie selten, so wie es das Wirtschaftsministerium fordert, „wirtschaftlich vertretbar“.
Auch ist durch eine Vielzahl von Studien, wie unter anderem vom Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahnemann, festgestellt worden, dass eine Steigerung des Wohlstandes im finanziellen Sinne nicht zwangsläufig zu einer Steigerung des Wohlbefindens beiträgt. Eine Untersuchung der Universität Princeton fand sogar heraus, dass jeder mehr verdiente Dollar über einem Jahreseinkommen von 75.000US$ dem Menschen wieder mehr Sorgen auflastet.
Nicht von ungefähr kommt es, dass das Bruttoinlandsprodukt als Indikator des Wohlstandes der Bevölkerung hinlänglich geworden ist. Soziologische und ökologische Aspekte spielen bei der Definition von Glück eine ebenso entscheidende Rolle, wie die Absicherung der Grundbedürfnisse.
Brüderle setzt sich dennoch verstärkt für die Interessen der Industrie ein. Er versteckt sich hinter der Behauptung, die Bürden des Klimaschutzes müssen auf den Schultern aller Länder verteilt werden. Solang dies nicht durch völkerrechtlich bindende Abkommen gewährleistet sei, darf auch die deutsche Schwerindustrie nicht belastet werden. Hierbei geht es weniger um die Tatsache, dass sich die Führungsriege der FDP einmal mehr als Büttel der Wirtschaft beweist, sondern vielmehr vom Verständnis dafür, was den Menschen wichtig ist.
Das ist mitnichten ausschließlich ein volles Portemonnaie, sondern auch eine umweltbewusste Wirtschaftspolitik und das Bewusstsein nachhaltig mit den Ressourcen umzugehen, um auch nachfolgende Generationen daran teilhaben zu lassen.
Das dient der Steigerung des Glücks und nicht, wie vom Wirtschaftsministerium gefordert, vorrangiges Wirtschaftswachstum.

Montag, 25. Oktober 2010

Fachkräftemangel: ungelöst. Bevölkerungsrückgang: akzeptiert. Nur demographische Veränderungen können die Probleme lösen.

Die Debatte schwelt nun schon seit einigen Monaten. Der Fachkräftemangel in Deutschland gehört neben S21 und Integration zu den angesagten Themen in den Polittalks. Bereits im Sommer haben Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und der Chef der Agentur für Arbeit Frank-Jürgen Weise auf diesen Konflikt hingewiesen. Und es bleibt zu befürchten, dass es über Halloween hinaus ein Schreckgespenst bleiben wird. Denn konstruktive Lösungsansätze sind bisher nicht in Sicht.
Das kausale Problem ist, dass es mehr Arbeitsplätze als es Arbeitnehmer gibt. Oder genauer: es gibt mehr bestimmte Arbeitsplätze als es qualifizierte Arbeitnehmer gibt. Das ist nicht nur in Deutschlands Vorzeigeindustrie so. Die Wirtschaft ist auf bestem Wege sich nach ihrem leidlichen Fall aufgrund der Finanzkrise zu erholen. Die Himmel hoch jauchzenden Wachstumsprognosen lassen daran keinen Zweifel. Doch nun droht der Motor ins Stocken zu geraten, da Öl im Getriebe fehlt. Allein 2009 sollen der Volkswirtschaft 15 Mrd. Euro durch die Lappen gegangen sein, weil es an knapp 100.000 Fachkräften mangelte. Das Wachstum ließe sich also noch weiter beschleunigen, wenn die Ressource Arbeitskraft zur Verfügung stehen würden.
Die unter anderem von Seehofer geforderte Aktivierung von Arbeitslosen ist allerdings realitätsfernes Geschwätz. Zu glauben, dass der Mangel durch die Weiterbildung derer, die sich freiwillig oder unfreiwillig dem Arbeitsmarkt entziehen, beseitigt werden kann, ist illusorisch. Elf Prozent der Hartz IV-Empfänger befinden sich augenblicklich in einer so genannten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme. Wären diese Maßnahmen zielgerichtet und erfolgreich, gäbe es keinen Fachkräftemangel. Darüber hinaus lassen sich eben nicht alle Arbeitslosen zu Facharbeiter umerziehen, sei es, weil sie es nicht möchten oder schlicht weg nicht können.
Es gilt mittlerweile als ausgemacht, dass dem Fachkräftemangel durch Einwanderung begegnet werden muss. Warum sich nun hochqualifizierte Arbeiter dazu entscheiden sollten, in Deutschland ihre Brötchen zu verdienen, ist ebenso unklar. Die Hürden sind immens, die Anreize vernachlässigbar und die Zukunftsaussichten und Bezahlung weniger rosig. Letztlich kann Einwanderung nur kurzweilig dazu dienen, die Symptome zu lindern.
Es scheint wieder einmal so, als ob die Regierung das Problem aussitzt. Und zwar bis zum Mai 2011. Dann gilt EU-weit die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Damit, so hofft die Koalition und befürchten die Handwerksbetriebe in Ostdeutschland, kann dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. Dass bis dahin etwas konstruktives in der Legislative geschieht, bleibt zweifelhaft.
Die Krankheit, an der Deutschland leidet, ist demographischer Natur. Sie ist für den Fachkräftemangel verantwortlich und wird ihn in Zukunft kontinuierlich verschärfen. Diese Tatsache scheint allgemein paradoxerweise akzeptiert zu sein, als ob die Deutschen von Natur aus unfruchtbar sind. Dass dem Fachkräftemangel, wenn auch über einen langen zeitlichen Horizont, damit begegnet werden kann, die Geburtenrate zu steigern, findet dagegen keinen Platz in den Polittalks.
Die niedrige Rate von 1,4 Kindern pro Frau wird laut dem statistischen Bundesamt weiterhin Realität bleiben. Das bedeutet, dass sich die deutsche Bevölkerung bis 2050 auf lediglich 70 Millionen Menschen dezimiert hat.
Konservativ gerechnet, wird sich die Anzahl der Arbeitsplätze bis dahin stabil auf gleichem Niveau von heute befinden, da nach dem sogenannten Okun’schen Gesetz erst ab einem Wirtschaftswachstum von 3,3% neue Arbeitsplätze entstehen. Das bedeutet, dass die Knappheit am Arbeitsmarkt weiter zunehmen wird. Die Konsequenzen für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit wären fatal.
Diese Dimensionen lassen sich nicht mehr aus Einwanderung bedienen. 10 Millionen Fachkräfte können auch ausländische Arbeitsmärkte nicht entbehren. Die Brisanz zukünftiger Integrationsdebatten kann man sich leicht vorstellen. Somit ist Deutschland dazu gezwungen, das Problem von innen heraus zu lösen. Das bedeutet, die Regierung muss bereits jetzt damit beginnen, zusätzliche Anreize zu schaffen, um Paaren das Kinderkriegen zu erleichtern. Die Verlängerung des Mutterschutzes von 14 auf 20 Wochen ist ein guter Anfang. Der Ausbau von Kita-Plätzen, unbürokratische Absicherung von Arbeitnehmern und eine grundlegende Änderung der Einstellung hin zu einer kinderfreundlichen Gesellschaft dienen dazu, das Kinderkriegen nicht mehr als Belastung anzusehen.
Die Regierung müsse das Rad nicht völlig neu erfinden. Beispiele für eine effektive Familienpolitik gibt es zu Genüge im Ausland. So können sich Eltern beispielsweise in Schweden 480 Tage bezahlten Urlaub nehmen um Zeit mit ihren Kindern zu verbringen – flexibel einsetzbar bis zum Erreichen des 8. Lebensjahres. In Frankreich kommen Mütter in den Genuss ganzheitlicher Mutter- und Kinderfürsorge die unter anderem Maßnahmen zur medizinischen, psychologischen und sozialen Prävention umfasst.
Darüber hinaus ließen sich mit einem gesunden Bevölkerungswachstum andere Problemfelder der deutschen Politik, wie zum Beispiel der unverhältnismäßig hohe Anteil von Rentenbeitragszahlern zu Rentenbeziehern, bewältigen.
Merkel und Co. müssen die Zeichen erkennen und endlich handeln. Der deutsche Bevölkerungsrückgang darf nicht hingenommen werden. Nur mit einer konstruktiven Familienpolitik kann der Fachkräftemangel nachhaltig beseitigt werden und Deutschland langfristig wettbewerbsfähig bleiben. Sollte die Politik sich dieser Aufgabe verweigern, bliebe den Firmen als einziger Ausweg der Umzug ins Ausland. Und über diese Tatsache können selbst monatelangen Debatten nicht hinwegtäuschen.

Sonntag, 10. Oktober 2010

Karsai’s Kuschelkurs mit den Taliban bringt NATO in ein Dilemma

Als ob die Situation in Afghanistan nicht schon kompliziert genug sei. Seit 2001 kämpfen die ISAF-Truppen gegen die Taliban und sind weit von einem militärischen Sieg entfernt. Dass dieser dennoch errungen werden kann, wird mehr und mehr bezweifelt. Und nun scheint Hamid Karsai weiter als jemals zuvor in Verhandlungen zwischen der Regierung und den Taliban zu stehen.
Somit steckt die NATO in einem Dilemma. Die vom Kommandeur der ISAF-Truppen David Petraeus entwickelte Strategie counter-insurgence sieht den schonungslosen Umgang mit den Taliban vor, vornehmlich deren Tötung. Sollte die NATO nun mit der gezielten Tötung hochrangiger Taliban fortfahren, könnte deren Verhandlungsbereitschaft drastisch sinken. Zwar befinden sich im Moment mehrheitlich gemäßigte Taliban in Gesprächen mit Karsai, sollten deren Stammesbrüder, die Paschtunen, zu denen auch Karsai zählt, jedoch weiter Ziel alliierter Attacken bleiben, könnte das die zaghaften Bemühungen zunichte machen.
Bereits seit 2008 soll es geheime Gespräche zwischen Regierung und Taliban geben. Gefruchtet sind diese bislang aber nicht. Auch Obama signalisierte 2009 Verhandlungsbereitschaft. Da die Taliban jedoch den Abzug der Streitkräfte zur Vorbedingung machten, blieben auch diese Bemühungen ergebnislos.
Die Einbeziehung einer Gruppierung, die von 1998 bis 2001 Afghanistan mit eiserner Hand regierte, Frauen den Zugang zu Bildung verweigerte, und Gesetze über den Rahmen der Scharia hinaus bestrafte, demonstriert, wie aussichtslos die NATO-Truppen ihre eigene Lage bewerten. Bereits im kommenden Jahr will Obama mit dem Truppenabzug beginnen. Doch das afghanische Militär und die Polizei sind bei weitem noch nicht bereit, Herr der Lage zu werden.
Auch der Druck in der Heimat wird weiter wachsen. Westliche Regierungen haben Schwierigkeiten ihren Wählern den Grund ihres Engagements in Afghanistan zu erklären. Nach dem Einmarsch der Truppen 2001 haben sie jedoch ein Land das nahe dem Bürgerkrieg steht, geschaffen. Die Alliierten müssen ihrer Verantwortung gegenüber dem afghanischem Volk gerecht werden und ihnen bei einem Abzug eine funktionierende Infrastruktur, eine stabile Regierung und Chancen auf Beteiligung am Welthandel hinterlassen.
Die Frage ist nun, wie man das schnellstmöglich erreichen kann. Ist Afghanistan selbst in der Lage, sich zu befrieden? Kann Karsai, dem unter anderem Korruption nachgesagt wird, die Lage entspannen, die Taliban entwaffnen und sie auf die derzeitige Verfassung einschwören? Und vor allem, kann der Westen darauf vertrauen?
Wenn die NATO es wagt ihre Mission counter-insurgence einzustellen und Karsai scheitert, wären die Taliban auf dem sicheren Weg, erneut die Macht zu ergreifen. Sollte Karsai Erfolg haben, könnten die Afghanen endlich selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen und ihr Land würdevoll gestalten. Die NATO muss sich entscheiden. Auf beide Pferde kann sie nicht setzen. Doch wirklich bleibt ihr bei dem jetzigen Schlamassel ohnehin keine Wahl mehr. Vertrauen scheint der einzige Ausweg zu sein.

Schwarz-Gelb köpft ihren König (und outet sich als integrationsunwillig)

Knapp 100 Tage nach der Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten scheint sich zwar die Opposition an das Staatsoberhaupt gewöhnt zu haben, die Regierung tut sich allerdings schwer damit.
Anlässlich der Feier zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung hat die Rede Wulffs in Bremen vorerst Anerkennung geerntet. Die kam aber auffallend überwiegend aus dem rot-grünem Lager. Auch muslimische Verbände und der Zentralrat der Juden fanden anerkennende Worte. Die Rede sei mutig, so dessen Generalsekretär Kramer. SPD und Grüne forderten sogar eine Gleichstellung des Islams als Religionsgemeinschaft mit den abendländischen Religionen. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime begrüßt diese Forderung. Und sie ist nicht weit hergeholt.
Muslime bilden nach den Christen (Anteil an der Bevölkerung ca. 60%) die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland (5%). Juden bilden mit einem Anteil von weniger als 1% eine der kleinsten anerkannten Religionsgemeinschaften. Und mittlerweile ist fast jedes zehnte in Deutschland geborene Kind von muslimischen Eltern. Rein quantitativ ist eine Gleichstellung also schon längst überfällig.
Es geht aber um mehr als Bevölkerungsanteile. Es geht um Ängste vor dem Fremden und der Entfremdung. Um Unwissenheit (Merkel assoziiert mit Scharia die brutale Rechtsprechung der Islamisten und sieht nicht dessen Gesamtheit einschließlich Werte und sozialer Normen, worauf selbst Gabriel, mit seinem oft unüberlegten Gepolter, hinweist) und Voreingenommenheit. Und es geht darum, der Gesellschaft Antworten zu geben. Antworten auf Fragen wie: Was ist eine deutsche Leitkultur? Integration oder Assimilation? Oder verkraftet es Deutschland sich endlich den Herausforderungen eines Einwanderungslandes zu stellen?
Auch Wulff stellt fest, dass wir uns schließlich zu einem solchen entwickelt haben. Alles andere sei eine „Lebenslüge“. Obwohl dessen Rede wenig Möglichkeiten zum Anecken bietet, hat sie das Format was einem Bundespräsidenten würdig ist.
Schwarz-Gelb sieht das offenbar anders. Ihr Präsident ist ihnen augenscheinlich zu tolerant. Und deshalb steht er unter Beschuss wie einst Horst Köhler, was letztendlich zu dessen Rücktritt führte. Lässt die Regierung nun mehr Respekt für das höchste Amt erkennen? Mitnichten.
Wenn Wulff sagt, „der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“ und ebenfalls betont, dass „Glaubens- und Gewissensfreiheit“ in Deutschland zu achten seien, wird Schwarz-Gelb nicht müde zu betonen, dass aus Religionsfreiheit nicht –gleichheit werden darf. Das Beharren auf die christlich-jüdische Tradition verweigert sich der Tatsache, dass traditionsbewusst nicht im Kontrast zu einer modernen Gesellschaft steht. Die Kirchen mussten bitterlich erfahren, was das bedeutet als sich die Gesellschaft säkularisierte. Merkel befürchtet ohne einen Widerspruch zu Wulffs Rede könnte ihre Partei das konservative Spektrum noch weiter vergraulen. Die Aufnahme Andersgläubiger in die Mitte unserer Gesellschaft bedeutet nicht die Aufgabe deutscher Werte und vor allem nicht die Verbannung des Grundgesetzes. Daran scheinen Merkel und Co. jedoch zu glauben. Und es sollte diese Glaubensfreiheit sein, die man ihnen absprechen sollte.
Denn sie verschließt die Augen vor den Tatsachen. Eine Gleichstellung als Religionsgemeinschaft würde nicht bedeuten, dass von nun an alle deutschen Frauen nur noch mit einer Burka in die Öffentlichkeit dürfen. Es würde bedeuten, dass wir unsere Mitbürger akzeptieren, anerkennen, dass auch sie eine Geschichte haben und wir auch von ihrer Kultur lernen können.
Die deutsche Leitkultur ist eine Illusion. Im alltäglichen Leben ist unsere Kultur nicht mehr von jener anderer westlicher Länder zu unterscheiden. Wenn Schwarzbrot und Talkshows, kein Tempolimit auf der Autobahn und das deutsche Reinheitsgebot unsere Leitkultur sind, dann stellt sich die Frage, warum man für solche Werte Millionen von Mitbürgern die Aufnahme in unsere Gesellschaft verweigert.
Die deutsche Leitkultur sollte vielmehr offen sein, Toleranz zeigen, denjenigen, die sich wünschen am öffentlichen Leben teilnehmen zu dürfen, die ausgestreckte Hand reichen und sich vor allem vom Bild des schächtenden, steinigenden und vollbärtigen Moslem verabschieden. Und auch ein „unverkrampfter Patriotismus“ gehört dazu, wie Christian Wulff betont. Denn nur „wer sein Land mag und achtet, kann besser auf andere zugehen“. Diesen Satz sollte auch die Regierung unterschreiben.

Donnerstag, 30. September 2010

Regierung beschließt Steuersenkungen. (Versteckt.)

Die FDP kann sich freuen. Entgegen dem allgemeinen Empfinden hat sich die Regierung nicht lumpen lassen und sich um viele Milliarden Euro Mehreinnahmen erleichtert.
Dass sie sich damit nicht rühmt, hat zum einen damit zu tun, dass größtenteils nur die Wirtschaft entlastet wird und schwarz-gelb zum anderen der triefende Geruch der Klientelpolitik anhaftet.
Jüngstes Beispiel für die Großzügigkeit der Koalition ist das Beibehalten der Ökosteuervergünstigung. Ursprünglich sollte diese Steuererleichterung schrittweise für energiehungrige Unternehmen zurückgefahren werden. Der Aufschrei in der Industrie und ihr Druckmittel, Vernichtung von Arbeitsplätzen, waren anscheinend wirksam und ersparen den Unternehmen innerhalb von 4 Jahren 6 Milliarden Euro an Steuern.
Auch der Pharmaindustrie hat Minister Rösler ein Geschenk gemacht. Zukünftig werden Medikamente bereits mit der Zulassung als nützlich eingestuft und sind somit von den Krankenkassen zu bezahlen. Die Bedeutung des Gemeinsamen Bundesausschuss, der die Prüfung auf Nutzen durchführt, wird dadurch geschwächt. Dies bedeutet, dass Bayer und Co. ein weitaus größeres Absatzpotenzial für ihre Medikamente haben, da weniger davon ohne Zuschuss der Krankenkassen bleiben. Die Größe des Geschenkes ist an dieser Stelle noch nicht absehbar, doch den Unternehmen wird es Milliarden garantieren.
Nächstes Schlagwort: Gebäudesanierung. Ursprünglich aus dem Energiekonzept gestrichen, nun doch wieder aufgenommen, bringt es Haus- und Wohnungsbesitzern eine Förderung von 950 Millionen Euro ein. Die wird bei weitem jedoch nicht ausreichen, um alle Häuser bis 2050 energetisch auf den neusten Stand zu bringen. Und somit müssen die Mieter ran. Zwar können diese auch bei einer 70 Quadratmeter großen Wohnung 80 Euro im Jahr an Heizkosten sparen. Auf der anderen Seite hat der Vermieter jedoch das Recht, die Miete, um die durch die Sanierung entstandenen Kosten, zu erhöhen. Macht einen Aufschlag von ca. 180 Euro. Kosteneinsparung adé.
Die Energiekonzerne werden ebenfalls wohl gesonnen bedacht. Nicht nur die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke spült Mehreinnahmen von 31 Milliarden Euro in die Kasse. Nun sind auch die Kosten für sicherheitsrelevante Um- und Ausbaumaßnahmen gestrichen. Die vorerst veranschlagten Kosten von 20 Milliarden Euro für die Betreiber sind nun nicht mehr vorgesehen. Die Rede ist von einer Deckelung bei 500 Millionen Euro. Rechnerisch profitieren die Konzerne somit zu 100 Prozent von der Verlängerung, selbst mit der Brennelementesteuer und Zahlungen an den Öko-Energie-Fonds. Die Steuer, so haben die Grünen berechnet, fällt ohnehin um ca. 1 Milliarde Euro im Jahr geringer aus. Grund ist die Steigerung der Strommenge aus erneuerbaren Energien, welcher die Einspeisung von atomaren Strom verringert. Darauf wurde die Steuer letztlich berechnet.
Und ein weiteres Geschenk zeichnet sich ab: die Regierung wird auf ernsthaften Widerstand bei dem Durchsetzen der Bankenabgabe stoßen. Die im Sparpaket vereinbarte Mehreinnahme ist mitnichten bereits beschlossene Sache. Und dass die Banken eine der einflussreichsten Lobbygruppen besitzt ist nicht unbekannt. Die 1,2 Milliarden Euro werden der Branche wohl in ihrer jetzigen Form erspart bleiben.
(Die Steuererleichterung für Hoteliers ist mittlerweile ja schon ein Hut von gestern und findet an dieser Stelle keine Beachtung mehr.)
Rechnet man alle Fehler der Regierung zusammen, scheint das Sparpaket lediglich als Quelle für die Geschenke an die Wirtschaft zu dienen. Sicherlich ist es wichtig, die Wirtschaft vor allem nach der Weltwirtschaftskrise zu stützen. Doch haben die Konzerne bereits Methoden gefunden, solch Unterstützung entgegen aller politischen und ökonomischen Vernunft zu erschleichen.
Wer behauptet, die Regierung und die CDU im Besonderen stehen vor einem Linksruck, träumt wohl immer noch von einer Hartz-IV-Erhöhung jenseits der 50 Euro. Die Realität beweist, selten war eine Regierung so wirtschaftsliberal. Und noch seltener stand sie so wenig wie jetzt nicht zu ihren Beschlüssen. Dabei sind im Koalitionsvertrag Steuervergünstigungen von bis zu 24 Milliarden Euro jährlich vereinbart worden. Die kommen nun offenkundig versteckt und in anderer Form.
Der, dem sie eigentlich gebühren sollten, dem Bürger, ist angehalten, sich zu gedulden: vorerst bis auf weiteres. Zu erst einmal soll lediglich eine Steuervereinfachung folgen. Es fehlt an Geld.
Dagegen hätten die Bundesbürger durchaus eine Erleichterung nötig. Zwar zieht die Binnenkonjunktur an, aber werden in nächster Zeit keine weitreichenden Tarifabschlüsse erwartet und die Arbeitnehmer somit nicht am Aufschwung beteiligt.
Dafür werden sie jedoch an den Kosten für die Gebäudesanierung beteiligt, müssen zudem eine Flugticketabgabe berappen und dürfen sich über eine Erhöhung der Kassenbeiträge von 14,9 auf 15,5 Prozent freuen. Auch sie gehen somit nicht ohne Geschenke von CDU/CSU und FDP aus. Eines hat die Regierung leider allerdings noch nicht gelernt: wie man richtig Geschenke macht.

Sonntag, 26. September 2010

5 Euro für Arbeitslose und 31 Milliarden Euro für Stromkonzerne

Der Bundesregierung ist wieder einmal ein Coup gelungen: 5 Euro Erhöhung der Regelsätze für Hartz-IV Empfänger – wenn das mal nicht spendabel ist!
Lachen kann darüber nur leider niemand mehr. Die kümmerliche Erhebung zeigt wie schwer sich Von der Leyen damit tut, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Neuberechnung der Sätze umzusetzen.
Dies sieht vor, sich am „tatsächlichen Bedarf“ der Bezugsempfänger zu orientieren. Nach einer Studie der Universitätsklinik Dresden rauchten 2006 mehr als 50% der Arbeitslosen. Kann man Zigaretten also zum tatsächlichen Bedarf dazuzählen? Das Arbeitsministerium meint nein. Mit ähnlichen Vorschriften zum Konsumverhalten, wie zum Beispiel dem bundesweiten Rauchverbot, tut sich die Regierung allerdings wesentlich schwerer. Letztlich sollte der Bund nicht vorschreiben, was konsumiert wird, sondern den Empfängern diese Entscheidung selbst überlassen. Und wenn die Sucht es nicht anders zulässt, muss eben an anderer Stelle gespart werden.
Die Berechnungen zum tatsächlichen Bedarf beziehen sich auf die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahre 2008. Seit diesem Zeitraum haben sich die Preise um ca. 3,3% erhöht. Eine Anhebung um 5 Euro entspräche jedoch lediglich 1,4% und ist somit nicht einmal inflationsausgleichend.
Zugegeben, der Gesetzesentwurf ist noch nicht fertig gestellt. Besonders Leistungen für Kinder stehen weiterhin auf der Agenda. Doch es ist bereits absehbar, worauf es hinauslaufen wird: das Gesetzespaket wird dilettantisch geschnürt, die Opposition wird toben und Karlsruhe erneut angerufen. Das Problem ist dabei nicht der Inhalt des Gesetzes, sondern die Regierung selbst: sie zeichnet sich durch Klientelpolitik, Intransparenz und juristischem Dilettantismus aus.
Das kann man sich besonders gut vor Augen führen, schaut man sich den sogenannten Atomkompromiss an. Bis jetzt ist immer noch unklar, wie dieser Kompromiss genau zu Stande kam und wie die Einnahmen den Ausbau regenerativer Energien fördern sollen. Den Stromkonzernen ist das relativ egal. Lauf einer Studie des WWF werden diese durch die zusätzlichen Reststrommengen abzüglich der neu eingeführten Brennelementesteuer mehr als 31 Milliarden Euro als Zusatzgewinne bis 2037 verbuchen können. Wesentlich bedenklicher ist auch hier alles, was im Hintergrund lief. Bis auf die Lobbyarbeit von E.on und Co. scheint das allerdings eher weniger gewesen zu sein. So hat die Bundesregierung juristisch nicht klären lassen, ab wie vielen Jahren Laufzeitverlängerung die Einbeziehung des Bundesrates notwendig wird. Laut Innenministerium erfolgten die Absprachen mündlich. Bitte was?
Schwarz-Gelb versteht sich immer mehr darauf, eine Politik zu machen, die 1. unweigerlich von dem Bundesverfassungsgericht geprüft wird, und 2. sich darauf konzentriert, das föderalistische System zu umgehen und den Bundesrat zu meiden.
Resultat dieser kurzsichtigen Politik ist, dass Interessensgruppen, wie beispielsweise die Energiekonzerne, sich die dilettantische Arbeitsweise der Regierung zu Nutze machen um wirtschaftliche Interessen zu befrieden. Hartz-IV Empfänger haben diese Möglichkeit nicht und werden daher mit Peanuts abgespeist.

Montag, 20. September 2010

FDP bleibt bis 2025 hinter 2009 zurück

Es ist lediglich ein mathematisches Spiel! Lasst mich einmal von politischen Realitäten Abstand nehmen und die Historie und die Zukunft mit Hilfe der Statistik betrachten:
Bewertet man die Ergebnisse der Bundestagswahlen von der Gründung der Bundesrepublik, über die Wiedervereinigung bis hin zu aktuellen Umfragen, so verlieren die beiden sogenannten Volksparteien stetig an Volkscharakter (siehe Grafik). Und wie in aktuellen Umfragen bestätigt, ist der Aufwärtstrend der Grünen ziemlich beeindruckend.
Über die gesamte Geschichte der Bundesrepublik und allen Wählergenerationen hinweg eroberten 41,6% der Stimmen die Christdemokraten. Die SPD kommt auf 35,6%. Die FDP auf immerhin noch 9,6%. Grüne und die Linke belegen mit 7,5 und 6,8% die letzten Plätze (gerechnet vom Zeitpunkt ihrer Entstehung, kleinere Parteien ausgeschlossen). Solche Zahlen scheinen auch in der Bevölkerung verankert zu sein.



Schaut man sich die Grafik weiterhin an, fällt etwas weiteres auf: Schwarz und Rot sind stark schwankungsanfällig. Mit einer historischen Standardabweichung von 6 und 6,1% sind, zumindest mathematisch, Schwankungen von mindestens 6% im Ergebnis von Wahl zu Wahl wahrscheinlich.
Schlusslicht bei der Standardabweichung ist die FDP. Mit 2,5% weist ihr Wahlergebnis historisch eine geringe Fluktuation auf. Nehmen wir dazu noch an, dass die aktuelle Forsa-Umfrage dem Ausgang der Bundestagswahl 2013 gleicht und die FDP 5% der Stimmen wohl gesonnener Wähler erhält, hieße dies, dass die FDP noch ziemlich lange hinter dem Rekordwahljahr 2009 zurückbleibt.
Berechnet man die darauf basierenden zukünftigen Wahlergebnisse, müsse sich die FDP bis zur Bundestagswahl 2025 gedulden um wieder mit einem Ergebnis von ca. 15% glänzen zu können. Vielleicht kann sie dann in der Regierung erneut eine Laufzeitverlängerung für die letzten am Netz befindlichen Atomkraftwerke mitverhandeln.
Statistisch historisch betrachtet ein durchaus wahrscheinliches Szenario. Leider folgt die Politik aber nicht den Gesetzen der Statistik.

Sonntag, 19. September 2010

Sarrazin-Ausschlussverfahren straft Gabriel als Täuscher

Mittlerweile hat die Debatte um Thilo Sarrazin und seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ an Temperament verloren. Zumindest in der Öffentlichkeit. In der SPD werkelt die Parteispitze fleißig daran, dessen Ausschluss voranzubringen und nicht scheitern zu lassen. Dass dies aber mitunter sogar sehr wahrscheinlich ist, zeigt auf was für dünnem Eis sich der Parteivorstand bewegt.
Bereits im März diesen Jahres musste die Berliner SPD eingestehen, dass sie mit ihrem Parteiordnungsverfahren gegen den damaligen Bundesbankvorstand wegen dessen Äußerungen in der Kulturzeitschrift „Lettre International“ gescheitert ist. Sarrazin habe mit der damaligen „Kopftuchmädchen“-Debatte keine Grundsätze der Partei verletzt.
Dass er dies nun nachweislich insbesondere mit seiner Aussage „Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen.“ tut, ist zweifelhaft. Dies gilt hauptsächlich weil der promovierte Doktor der Wirtschaftswissenschaften seine Aussagen schnellstmöglich als „Riesenunfug“ und „Blackout“ revidierte.
Und genau zwischen diesen beiden Statements ist Gabriel mit seinem Anstoß geprescht ein Parteiordnungsverfahren gegen Sarrazin einzuleiten. Der Parteivorsitzende ist dafür bekannt, sein Gesicht in jede Kamera halten zu müssen und sich gegenüber jedwedem Sachverhalt zu positionieren. Mit diesem Verhalten eckt er vor allem in der Partei des Öfteren an. Und genau in jenem Fall könnte ihm sein Profilierungsgehabe zum Schaden gereichen.
Sollte der SPD-Vorstand dem Verfahren nicht entsprechen, wäre der Schaden nicht nur für Gabriel, sondern der gesamten SPD immens. Dieses Risiko ging Gabriel leichtfertig ein ohne auf die Stimmung in der Bevölkerung und im wesentlichen der eigenen Partei zu hören.
Erst kürzlich begann Gabriel mit seiner Idee zu werben, den Kanzlerkandidaten (also hoffentlich ihn) durch eine Vorwahl, an der sich auch Nicht-SPD-Mitglieder beteiligen dürfen, bestimmen zu lassen. Dieser Vorstoß geht einher mit seinem Bestreben, die Partei von innen heraus zu erneuern, basisdemokratischer zu gestalten und wieder vermehrt auf die Stimmen aus dem Volke zu hören.
Mit dem angestoßenem Ausschlussverfahren tut er genau dies nicht. Nicht nur SPD-Urgestein wie Steinbrück und Struck lehnen einen Ausschluss ab. Auch die Basis läuft Sturm und bombardiert die Parteispitze mit Anrufen, Emails und Briefen. Ihre Befürchtung ist klar: der Ausschluss verhindert eine konstruktive Integrationsdebatte und stellt Sarrazin als Märtyrer dar. Auch die SDP-Wähler sehen das so. Lediglich 43% können sich einen Ausschluss vorstellen. In der Bevölkerung sind es sogar nur 34%.
Folgerichtig hat Gabriels Vorstoß der Partei auch binnen einer Woche 2 Prozentpunkte an Stimmen gekostet (Umfrage „Stern“ und „RTL“).
Das Verhalten des obersten SPD-Mitglieds lässt also alles andere als Partei-erneuernd anmuten. Der von Gabriel ausgegebene Leitsatz war eine Luftnummer. Es scheint, als wolle er lediglich seinen Bekanntheitsgrad erhöhen indem er zu jedem Thema Position bezieht um davon anschließend in der Wahl zum Kanzlerkandidaten zu profitieren. Seine Hoffnung ist, so lässt es vermuten, dass sich der Wähler dann nicht mehr an Inhalte erinnert. Nur wird diese höchstwahrscheinlich nicht aufgehen, da sich dem Ausschlussverfahren eventuell in eine lang andauernde juristischen Schlammschlacht anschließen wird.

Freitag, 3. September 2010

Sarrazin entpuppt sich als Kanzlerfänger

Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin hat viele Gemüter erhitzt. Hitzige Debatten blieben aber leider aus. Die Wortmeldungen waren eher durch Anschuldigungen und Empörung geprägt. Ob sich einzelne nun trauen, sich mit dem streitbaren ehemaligen Finanzsenator konstruktiv auseinander zu setzen ist fraglich. Bemerkenswert ist allerdings, wie er es vermag die Gesellschaft zu polarisieren. Und noch viel auffälliger ist, wie eine, deren Machtworte in letzter Zeit vermisst wurde, ungewohnt klar Stellung bezieht.
Angela Merkel ist weder für ihre Geradlinigkeit noch eine zügige Reaktion bekannt. Umso überraschender ist es, wie es jemand aus einer Institution, die eigentlich politikunabhängig agiert, vermag, die Kanzlerin aus der verbalen Ecke zu locken.
Ziemlich geradeaus hat sie Sarrazins Äußerungen als "Unsinn" befunden und dem eventuellen Trichet-Nachfolger Weber nahegelegt, unverzüglich ein Ausschlußverfahren zu prüfen. Dass dieses nun auf Wulffs Schreibtisch liegt, wird von ihr sehr begrüßt. Und nebenbei ist sie eine der wenigen, die eine erneute Diskussion über die Integration von Ausländern fordert. Schäubles Intergrationsgipfel - damals unter großem Tamtam verkündet - sind offenbar nicht sonderlich dienlich.
Recht hat sie in dieser Sache! Endlich hört man mal wieder ein klares Wort der Kanzelrin. Und es tut gut, ihr zustimmen zu können.
Diese Klarheit, so wurde mehrheitlich bemängelt, hat sie in den letzten Wochen vermissen lassen. Der Neustart nach der Sommerpause blieb ungenutzt. Viele Debatten schwelen vor sich hin und so manch einer taumelt ohne klar erkennbare Leitlinie der Kanzlerin verloren umher.
Am kommenden Sonntag will Merkel nun endlich ihre Haltung zum Verbleib der 17 AKWs in Deutschland offenbaren. Juristischem Hickhack über Laufzeitverlängerungen und Sicherheitsstandards soll damit ein Ende bereitet werden. Außerdem konnte mehrheitlich ihr Sprecher Steffen Seibert der Kanzlerin Meinung bezüglich maßvoller Tarifabschlüsse, einem Internet-Gesetz und Hilfen zu Pakistan kundtun. Nichtigkeiten. Bei großen Baustellen wie der Reform der Bundeswehr, der Hartz-4 Sätze, des Gesundheitswesens oder der Finanzmärkte übt sich die Kanzlerin in ihrer gewohnten Beharrlichkeit und wartet bis sich die Probleme in entscheidungsfreundliche Häppchen aufgelöst haben.
Vielen stößt das auf. Vor allem die Parteibasis der CDU vermisst eine Leitfigur. Doch ist diese Kritik angebracht?
Das Kanzleramt ist nach dem Grundgesetz verantwortlich für die Richtlinien der Regierung und deren Politik. Darüber hinaus trägt der/die Bundeskanzler/in die Verantwortung für jedwede getroffene politische Entscheidung. Also Entscheidungen die letzlich auch gefällt wurden. Innerhalb der einzelnen Ministerien aber, sind die jeweiligen Minister für ihre Vorhaben zuständig und haben diese auch gegenüber dem Parlament zu rechtfertigen. Nach dem Kollegial- und Ressortprinzip ist es der Kanzlerin gar untersagt in einzelne Sachfragen einzugreifen und ihren Standpunkt durchzusetzen. Geschichtsbedingt sollte die Machtfülle dadurch begrenzt bleiben. Für alle diejenigen, die nun vermehrt nach Machtwörtern der Kanzlerin rufen sollte demnach gelten, die Verantwortung die sie durch die Gesetzgebung zugesprochen bekommen haben auch dementsprechend zu nutzen.
Das Schweigen der Bundeskanzlerin ist oft kein taktisches Abwarten um beispielsweise Wahlergebnisse nicht negativ zu beeinflussen, sondern lediglich das Vertrauen der Kanzlerin in die Expertise der einzelnen Ressorts. Dazu ist sie verpflichtet.
Darüber hinaus ist sie als Parteivorsitzende anfällig von unten. Da ihr Amt demokratisch gewählt wird, sollte sie es tunlichst unterlassen, ihre Minister zu übergehen und der Legislative ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Die Basis könnte es ihr rächen.
Auch wenn Merkels Wortmeldung zu den Thesen von Dr. Sarrazin ungewöhnlich harsch waren, tun sie letztendlich nicht direkt die angebliche Führungslosigkeit ersetzen. Diese wird nicht durch Einmischen in die Vorhaben der Minister demonstriert, sondern durch das Beharren auf die politischen Richtlinien. Dass sich diese mittlerweile nicht mehr aus dem Koaltionsvertrag ableiten lassen, ist eine andere Geschichte.
Die Minister wären also gut beraten, die ihnen zugesicherte Freiheit zu nutzen und ihre Mutlosigkeit nicht hinter der Wortkargheit der Kanzlerin zu verstecken. Dies zu erkennen benötigt keinen Sarrazin, sondern ein generelles Verständniss der Rolle der Bundeskanzlerin.

Dienstag, 17. August 2010

Die Finanzkrise ist zur Optimismuskrise geworden


Warum die Krise noch nicht überstanden ist

Das waren noch Zeiten, als Politiker aller Couleur rund um den Globus der Krisenstimmung verfallen waren, die die Märkte nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers erfasst hatte. Die Forderungen nach einer Regulierung der Finanzmärkte, also der Behebung der Krisenursachen wurden unisono in alle Gipfel getragen. Heraus kam wenig. Dies lag wohl weniger an dem mangelnden diplomatischen Geschick der Teilnehmer, als eher an der unterschiedlichen Intensität mit der die Krise die Länder getroffen hat und damit dem Drang zum Handeln. Mittlerweile sind aber selbst die Hysteriker verstummt. Das große Krisenbekämpfen ist out. Momentan ist das Kurieren der Symptome in, wie zum Beispiel die horrenden Staatsverschuldungen einiger Nationen.
Doch erinnern wie uns kurz, warum es zur eigentlichen Krise, der Subprime-Krise kam:
Banken und Versicherungen haben von Anleiheemittenten (insofern sie selbst keine waren) Papiere gekauft, die trotz ihrer mathematischen Schönheit inhaltlich eher hässlich waren. Diese Papiere, ABS und MBS größtenteils, sind nicht verschwunden. Sie sind weiterhin in den Bilanzen der Banken, teilweise abgeschrieben, teilweise beim Staat zwischengeparkt oder inaktiviert. Die Gründe, warum die amerikanischen Häuslebauer ihre Häuserkredite nicht mehr bedienen konnten waren steigende Arbeitslosigkeit und die verlorene Kaufkraft. Auch diese Probleme wurden bisher nicht behoben. Reihenweise Häuser mussten zwangsversteigert werden und der muntere Preisanstieg amerikanischer Immobilien legte den Rückwärtsgang ein. Hier ist bis dato auch noch kein wesentlicher Gegentrend festzustellen, die Preise fallen weiter und eine Gegenfinanzierung ist für die meisten Kreditnehmer nicht möglich. Entgegen dem hässlichen Inhalt haben die Banken trotzdem kräftig zugegriffen und die Securities ihren Anlegern untergejubelt. Zum einen lief das Geschäft so gut, weil den Banken nicht abverlangte wurde, den Inhalt der jeweiligen Produkte transparent offenzulegen. Auf globaler Ebene kam es auch hier noch zu keiner Abhilfe.
Auch die so häufig verteufelte Gier nach schnellen Profiten mag den einen oder anderen Banker dazu bewogen haben, es bei der Beschreibung der Anleihe für Anleger mit dem Kleingedruckten nicht ganz so ernst zu nehmen. Maßlosen Boniorgien konnte teilweise ein Riegel vorgeschoben werden, wohl aber eher, weil der Staat nun oft mit im Aufsichtsrat saß und die Bevölkerung die Moralkeule geschwungen hat.
Grund für einen so ausgeprägten Drang zur Zockerei sind die laschen Eigenkaptitalvorschriften. Weltweit mussten Banken nur einen winzigen Bruchteil ihrer Aktiva mit Rücklagen absichern. Für das bevorstehende Basel-III Abkommen hat die Bankenlobby bis jetzt erfolgreich geschafft, eine Verschärfung der Eingenkapitalregeln zu verhindern. Im Gegenzug dazu, hat die US-amerikanische Regierung den Banken bereits verboten, in großem Umfang Eigenhandel zu betreiben. Dass diese ihren Handel nun auf 100%-ige Tochter Hedge Fonds umlegen, deren Erlöse wiederum an die Bank zurückfließen, ist ein Zeichen für die eingeschränkte Handlungsmacht der Legislative.
Hinzu kommt auch, dass das moderne Finanzwesen weltweit miteinander verstrickt ist. Somit landeten die vergifteten Anleihen in den Bilanzen aller global agierender Banken. Die Vernetzung ist gut, da dadurch Risiken gestreut werden können und das Kapital weltweit günstig zirkuliert und die Banken und folglich die Märkte mit Liquidität versorgt werden. Leider hat es in diesem Falle dazu geführt, dass sich der Virus verteilte wie Läuse in einer Schulklasse. Bis zu diesem Zeitpunkt hat keine Bank ihr internationales Engagement heruntergefahren.
Und schlussendlich haben viele der Banken eine makroökonomisch so relevante Bedeutung erlangt, dass dem Staat nichts anderes übrig blieb, als für sie in die Bresche zu springen. Die Spirale der Staatsverschuldung nahm damit ihren Lauf. Bemühungen der Politik, die Bilanzsummen zu beschneiden fruchteten lediglich bei den Banken, die im Zuge von staatlicher Unterstützung durch die europäische Wettbewerbsbehörde dazu verpflichtet wurden. Ein globaler Lösungsansatz mutet anders an.


Nur wenige der ursächlichen Gründe für die Wirtschaftskrise wurden also angepackt. Die Politik scheut den großen Wurf, ist vor der mächtigen Finanzlobby eingeknickt und lenkt sich mit der Bekämpfung der Bekämpfung ab, also die durch die Konjunkturprogramme in die Höhe geschossene Staatsverschuldung und dem zeitgemäßen Herunterfahren der Wirtschaftshilfen.

Warum der Optimismus unbegründet ist
Dass die Konjunkturspritzen weltweit ihre gewünschte Wirkung teilweise entfaltet haben ist nicht zu bestreiten. Sicher, die Arbeitslosigkeit konnte in den USA nicht bekämpft werden, aber die Staatengemeinschaft ist einer schweren Rezession entgangen. Dies mag mitunter daran liegen, dass die Stützen für die Banken symbolischen Charakter hatten und die Realwirtschaft vor dem endgültigen Abschmieren bewahrt haben.
Der Erfolg der Konjunkturprogramme hat an den Märkten und im Besonderen in den Köpfen der Politiker eine Eigendynamik entwickelt, die dazu führte, dass man optimistisch des Optimistisch-Sein-Willens wurde.
Die Autoverkäufe zogen an, Währungen schwächten ab und beflügelten Exporte (und tun dies weiterhin), Kapital war überaus günstig zu haben und die Märkte äußerst liquide (zumindest gemessen an den Summen, die durch die Politik des billigen Geldes der Zentralbanken zur Verfügung gestellt wurden). Banken trennten sich von kranken Teilen, Investment Banken wurden Geschichte und mittlerweile jagt quer durch alle Branchen ein Rekordquartal das nächste. Und warum?
Nicht, weil die Ursachen der Krise beseitigt wurden, sondern die Politik ihren Bürgern den Optimismus eingetrichtert hat. Jede ach so geringfügige Verbesserung ging auf das Konto der sich erholenden Weltwirtschaft. Dabei sind die meisten Effekte Kunstgriffe der Statisten (besonders im Bezug auf deutsche Arbeitslosenzahlen), Einmaleffekte aus den Konjunkturprogrammen oder schlichtweg irreführende Zahlen.
Zum Beispiel das beeindruckende Wachstum des deutschen Bruttoinlandprodukts im 2. Quartal von 2,2% ist lediglich dem starken Absturz der deutschen Wirtschaft 2009 zu verdanken während dem sie um 4,7% schrumpfte. Maschinenbauer und Co. holen nur an Aufträgen auf, die sie im Krisenjahr verloren haben. Dagegen mutmaßt das Wachstum Frankreichs von 0,6% geradezu bescheiden an. Jedoch ist dessen Wirtschaft 2009 bloß um 2,2% eingebrochen. Denn Frankreich ist weniger von der konjunkturellen Entwicklung anderer Länder abhängig.
Diese Abhängigkeit Deutschlands von den Exporten wiederum lässt Reklamationen auf den Titel der Wirtschaftslokomotive Deutschland laut werden. Dabei ist es gerade diese Abhängigkeit, die Optimisten bremsen sollte.
Chinas Hunger nach Importen lässt rapide nach. Die Verkaufszahlen deutscher Autobauer sind bereits am sinken. Barack Obama musste jüngst eingestehen, dass die Gefahr einer amerikanischen Rezession noch nicht gebannt sei. Und die Hauptabnehmer deutscher Exporte im europäischen Binnenmarkt erholen sich wenn, dann nur im Nachkommastellenbereich. Deutsche Exporteure sind auf Gedeih und Verderb von der Kaufkraft ihrer Abnehmer abhängig. Das ist nichts Neues. Doch stehen die Zeichen eher auf Stagnation.
Dies hat mehrere Gründe:
• Die weltweiten Konjunkturprogramme sind ausgelaufen.
• Die Unsicherheit in den Märkten steigt, weil die Notenbanken nicht klar zu erkennen geben, wie und wann sie einen Ausstieg aus der laschen Geldpolitik vollziehen werden.
• Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Regierungen ist beschränkt, da diese von gigantischen Schuldenbergen nahezu handlungsunfähig geworden sind.
• Das Bestreben nach einer weltweit getragenen Lösung zur Bewältigung der Krise ist an nationalstaatlichen Interessen gescheitert.
• Probleme wie die amerikanische Arbeitslosigkeit oder die chinesische Immobilienblase geraten weiter in den Fokus.
• Und langsam aber stetig setzt sich die Erkenntnis durch, dass an den eigentlichen Ursachen der Krise bisher wenig behoben wurde.
Darüber hinaus hat es die bundesdeutsche Regierung verpasst, den so häufig angemahnten Leistungsbilanzüberschuss abzubauen und den Binnenkonsum zu stützen. Wieder einmal wird ein Abkühlen der globalen Wirtschaft das deutsche Wachstumswunder jäh abwürgen.

Kein Optimismus, sondern Tatendrang
Die Zuversicht ist somit unangebracht. Das Wachstum beweist sich als sehr fragil und nicht nachhaltig. Was nun erforderlich ist, sind keine frohlockenden Verkündungen über jegliche positive Meldungen, sondern die Hinterfragung derer. Die Staatsoberhäupter müssen sich auf ihr Credo aus dem G8-Gipfel von 2008 besinnen, die eigentlichen Ursachen der Finanzkrise gemeinsam zu bekämpfen. Dies erfordert eine Abstimmung auf internationaler Ebene und wird Länder wie England besonders hart treffen. Ihre Befürchtungen müssen ernst genommen und entsprechend begegnet werden. Dies wäre zum Beispiel bei einem weltweiten Verbot von ungedeckten Leerverkäufen der Fall. Da London einen der größten Händelplätze für sogenanntes Nacked Short Selling darstellt, müsste es für den entstandenen Ausfall von Gebühren entsprechend aus den Einnahmen einer weltweit eingeführten Finanztransaktionssteuer entschädigt werden. Da sich viele Transaktionen über den gesamten Globus erstrecken und die Einnahmen ohnehin globale Regelungen verlangen wäre eine zumindest zeitlich beschränkte Bevorteilung Geschädigter möglich.
Die Politik muss der Finanzlobby selbstbewusst begegnen und das tun, was notwendig ist: die Probleme bei der Wurzel packen und eine Wiederholung der Krise unmöglich machen.
Das kann nur erreicht werden, wenn global an einem Strang gezogen wird, die Märkte transparenter werden und Lösungsansätze wie Basel-III nicht von den Banken im Keim erstickt werden. Nur allein dazu hat die Politik ihr Mandat erhalten. Nicht, um optimistisch zu sein.

Sonntag, 8. August 2010

Der Westen muss Verantwortung für das iranische Atomprogramm übernehmen

Die letzte Sanktionsrunde der UN hat das Regime im Iran zum Schäumen gebracht. Es waren wohl nicht die Sanktionen selbst, sondern wohl eher die Kompromissfreude der Russen und Chinesen, die für gewöhnlich jegliche harten Sanktionen ablehnen.
Es ist zu hoffen, dass Medwedew und Jintao die Gefahr die vom Iran ausgeht erkennen. Wenn ein Land propagiert es sei lediglich an eine zivile Nutzung der Atomkraft interessiert und dafür Repressalien in Kauf nimmt, durch die es nebensächlich wird, ob und welchen Strom die Bevölkerung bekommt, sondern es immer mehr zu einer Frage der Existenzsicherung wird, dann sind Zweifel an die Glaubwürdigkeit der Propaganda sehr angebracht.
Wenn Ahmadinedschad und Chamene'i glauben ihrem Volk sei die Stromgewinnung wichtiger als internationale Anerkennung, dann ist die sogenannte grüne Bewegung nicht weit genug gegangen.
Da sich weitere Sanktionen vorerst nicht durch den Sicherheitsrat bringen lassen, sanktionieren die USA und die EU auf eigene Faust weiter. Sie haben eine durchgreifende politische und wirtschaftliche Schlagkraft um das Regime zu treffen. Jedoch werden auch sie wieder einmal Tropfen auf dem heißen Stein sein. Die diplomatischen Bemühungen reichen nun über 5 Jahre zurück und werden immer aufs Neue von heuchlerischen Eingeständnissen der iranischen Führung torpediert und zurückgeworfen. In der Zwischenzeit haben die Wissenschaftler genug Zeit das Atomprogramm fortzuführen. Dass der ursprüngliche Anstoß dessen ein als Geschenk verpackter Forschungsreaktor von US-Präsident Eisenhower im Jahre 1959 war ist für die USA wohl Häme genug.
Die Frage ist, wie viel Zeit nehmen sich die westlichen Demokratien noch, um ein Einlenken der iranischen Regierung zu bewirken. Pläne für einen militärischen Erstschlag liegen in den Schubladen, sind aber noch nicht en vogue.
Die westlichen Nationen haben eine Verantwort. Wer wird sich dieser stellen, wenn der Iran Atomraketen auf Israel abfeuert? Wer wird das diplomatische Zögern und Schwächeln gegenüber den möglichen Opfern rechtfertigen?
Die Szenarien sind zu dramatisch um weitere 5 Jahre ins Land streichen zu lassen. Aller realistischen Einschätzungen zum Trotz, niemand, auch nicht die IAEA, weiß, was in den iranischen Forschungslaboren und Werkstätten zusammengezimmert wird. Und Angebote zur Kooperation und Offenlegung des Fortschrittes können schlicht weg als Hinhalten, Ablenken oder Lügen betrachtet werden.
Es ist ein gefährliches Spiel. Möglichkeiten sich vorzeitig als Gewinner hervorzutun bleiben nur noch wenige. Die Sechser-Gruppe muss ihrer Verantwortung gegenüber der restlichen Staatengemeinschaft gerecht werden und alles mögliche tun, um eine Weiterentwicklung des iranischen Atomprogramms zu verhindern. Wenn David Foster Wallace in seinem Zukunftsroman „Infinite Jest“ Teenies als Staatsoberhäupter mit Atomwaffen aufeinander losgehen lässt, ist das lediglich ein Spiel. Vielleicht hat er aber auch Spiel und Realität verwechselt.

Die Sicherungsverwahrung – moralisches Dilemma und ineffektiver Justizvollzug

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs spaltet die Rechtsgelehrten in der ganzen Republik. Dies hat befunden, dass die Freiheitsrechte der Straftäter verletzt werden, wenn sie über die Abbüßung ihrer Strafe hinaus in Sicherungsverwahrung verbleiben. Auf deutscher Seite wird dieses Vorgehen mit dem Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft begründet.
Wieder einmal gilt es, eine moralisch höchst komplizierte Frage zu beantworten: kann man das Glück mehrerer mit dem einzelner aufwiegen?
Deutschland hat darauf noch keine klare Antwort gefunden. Guantanamo-Häftlinge werden nun, um sie vor eventueller Folterung in ihrem Heimatland zu bewahren, aufgenommen und die Sicherheit der Bevölkerung gefährdet. Andererseits darf die Bundeswehr Flugzeuge nicht abschießen, die von Terroristen entführt und zu fliegenden Bomben gemacht wurden. Das Leben der Passagiere steht über eventuellen Opfern in der Bevölkerung. Es handelt sich in allen solcher Fragen um Eventualitäten und dem unverschuldetem Hineingeraten in eine Situation. Quantitativ lässt sich das Glück so nicht aufwiegen.
Auch in der Philosophie ist eine Antwort mitnichten herbeizuführen. Zwar war bereits John Stuart Mill, ein englischer Denker aus dem 19.Jahrhundert, der Meinung, das oberste Ziel sei das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl, doch lässt sich dieses Verständnis nicht auf die Justiz übertragen.
Um die Diskussion um die Sicherungsverwahrung und alle ähnlichen Themen zu beenden, ist also eine ethische Grundsatzentscheidung in Deutschland nötig. Die Politik und Gerichte drücken sich vor dieser Auseinandersetzung. Dabei wäre eine von der Gesellschaft getragene Entscheidung auch bei Fragen nach der Sinnhaftigkeit des Afghanistan-Einsatzes oder der Rettung von Unternehmen hilfreich.
Die jetzige Debatte lenkt aber auch von einem weiteren Punkt ab: dem ineffektiven Justizvollzug. Zwar ist die Sicherungsverwahrung nicht identisch zu dem Strafvollzug, laut deutschem Strafrecht haben beide jedoch gemein, Maßregeln zur Besserung und Resozialisierung der Straftäter zu finden.
Wo sind diese Maßregeln, wenn unter den für dieses Jahr freizulassenden Straftätern alle 84 immer noch als gefährlich gelten? Im deutschen Strafvollzug werden Freiheitsstrafen eher als Wegsperren betrachtet als der Versuch, die Täter auf der einen Seite zu betrafen, auf der anderen aber auch gleichzeitig zu resozialisieren. Der Staat ist durch das Strafrecht in der Pflicht, die Bevölkerung zu schützen aber auch den Tätern Hilfe anzubieten. Es scheint, als ob die Hilfe versagt bleibt oder nicht fruchtet. Jedoch werden sich schwerlich Straftäter finden lassen, die gerne mit ihrem unkontrollierbaren Trieb leben möchten. Die Justizvollzugsanstalten sollten sich somit nicht nur auf die Verwahrung der Straftäter konzentrieren, sondern auch auf effektive Maßregeln. Wenn sie dies schon nicht moralisch begründen können oder wollen, dann aber wenigstens aus der Pflicht dem Steuerzahler gegenüber.

Mittwoch, 21. Juli 2010

Die EU ist zurückgekehrt!

Die Europäische Union ist wieder da. Mit dem Vorstoß der EU-Kommission, die deutschen Subventionen für den Steinkohleabbau bereits bis 2014 auf die Liste der verbotenen Subventionen zu setzen, kommt sie den Beschlüssen der ehemaligen Bundesregierung nicht nur um 4 Jahre voraus, sondern zeigt auch endlich wieder, dass es die Wirtschaftsunion immer noch gibt.
Dass die Vertretung der Interessen der einzelnen Mitgliedsstaaten seit der Finanzkrise besonders in den Vordergrund gerückt ist, hat Brüssel viel Macht gekostet. Nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers waren die Regierungschefs äußerst bemüht, gemeinsam Finanzmarktregeln und Konjunkturpakete zu beschließen. Als sie jedoch den geballte Gegenwind der G20 im Gipfel 2008 in Washington verspürten, wurden sie kleinlaut. Die Maßnahmen sollten entweder global beschlossen werden, oder national. Diese Losung wurde nie ausgerufen, doch sind es ausgerechnet die EU-Staaten, die dieser Notlösung euphorisch verfallen sind. Inmitten der sich verschlechternden Wirtschaftslage war schlicht keine Zeit für mühsames und diplomatisches Taktieren. Die Situation verlangte schnelles Handeln.
Auch nach der Lissabon-Reform war die EU nicht der richtige Ort für schnelles Handeln. So glaubten zumindest Brown, Sarkozy, Merkel und Co. Die Befindlichkeiten der heimischen Wirtschaft wiegen einfach zu schwer. In den großen Volkswirtschaften der Union standen zudem Wahlen an. Schwierige Voraussetzungen um sich auf Kompromisse zum Wohle der Gemeinschaft zu einigen.
Innerlich hat sich die EU auch einiges zumuten müssen. Sie ist immer noch stark mit den Auswirkungen der Lissabon-Reform beschäftigt. Das freudlose Dasein von Herman Van Rompuy und Catherine Ashton demotiviert viele Abgeordnete. Erschwerend kommen das Kompetenzgezerre zwischen Kommission und Parlament und die wenig prestigeträchtigen Ratspräsidentschaften hinzu. Beitrittsverhandlungen mit neuen Kandidaten leisten ihr Übriges. Somit ist es nicht verwunderlich, dass Brüssel auch mit sich selbst beschäftigt ist. Die Bau –und Unglücksstellen sind gewaltig und selbst mit denen der Bundesregierung nicht zu vergleichen.
Umso erfreulicher ist es, dass sich die EU-Kommission wieder zu Wort meldet. Und das nicht nur im Revier deutscher Subventionen. Auch im Streit zwischen Airbus und Boing schalten sich die Kommissare ein und wollen Revision gegen das Urteil der WTO einreichen, dass die europäischen Beihilfen für den Flugzeugbauer Airbus für unzulässig erklärte.
Ob die Entscheidungen der Kommission richtig sind, soll nicht an dieser Stelle bewertet werden. Vielmehr sollte bemerkt werden, dass sich die EU nach dem Chaos für die Rettung Griechenlands wieder gefangen hat. Die vermeidlichen Vorreiter des europäisches Gedankens Sarkozy und Merkel haben ordentlich Sand in das Unionsgetriebe gestreut. Wie schnell der Markt an der Existenzberechtigung der Währungsunion zweifelt hat die Hinhaltetaktik der Kanzlerin ausreichend demonstriert. Der Glaube an eine standfeste und solide EU ist selbst nach fast 60 Jahren nach der ersten Gründung der EG nicht etabliert. Grund dafür mögen die Unwissenheit über die wahre Funktionsweise des riesigen Apparats und die Undurchschaubarkeit der schier unzähligen Institutionen sein. Denn dass die EU ein PR-Problem hat ist seit Langem offensichtlich.
Allen Zweiflern und EU-Gegnern zum Trotz, müssen sich Kommission und Co. erneut ihrer Mission verschreiben: ein einiges Europa zu schaffen. Die Steine, die ihr dabei von Einzelspielern, Nationalpolitikern wie auch einzelnen Staaten, in den Weg geworfen werden, müssen unter der Gewalt der Räder, die sie nun auch laut den Verfassungen der Mitgliedsstaaten besitzt, zermahlen werden. Notfalls muss der ein oder anderer Politiker dafür in den Seitengraben springen. Nur ist es wichtig, in Zukunft nicht erneut im Tosen nationaler Befindlichkeiten unterzugehen. Denn dann würde nicht nur an der Existenzberechtigung der Währungsunion, sondern auch an der der Europäischen Union gezweifelt werden.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Auf die Plätze, fertig, los! - Kraft und Löhrmann regieren, Laumann und Pinkwart sabotieren

Hannelore Kraft ist Ministerpräsidentin. Überraschend ist das nicht. Auch nicht, wie die Wahl ablief. Dass sich die schwarz-gelbe Opposition nun doch irgendwie wieder ganz gut versteht schon. Vor allem auf Bundesebene. Man hat den Eindruck, dass Merkel & Co. froh seien, endlich wieder Opposition spielen zu dürfen; mit dem Regieren funktioniert das anscheinend ja nicht so gut. So lang das gemeinsame Echauffieren der Koalition verhilft, auch konstruktiv miteinander zu sprechen, ist es wohl auch in Krafts Interesse. Denn die verkündete Fundamentalopposition von Laumann und Pinkwart kann auf Dauer der CDU und FDP keine Wählerstimmen bringen. Die Bundesparteien werden über Kurz oder Lang eingreifen, wenn sie das Gefühl haben, dass die Blockadehaltung zu weiteren Stimmenverlusten führt. Dennoch, falls der Vorwurf der Regierung von Wählertäuschung wirklich zu einer Einigung auf Bundesebene beiträgt, ja dann wären auch das überraschend. Vielleicht ist die Aufregung aber nur dem Neid zu verschulden, dass die rot-grüne Kandidatin bereits im zweiten Wahlgang gewählt wurde und nicht wie Bundespräsident Wulff im dritten.
Und nun beginnt die Bettelkoalition ihre Arbeit. Dass die Entrüstung der ehemaligen Landesregierung über den Koalitionsvertrag ebenso groß ist, wie der Scherbenhaufen, den sie zurücklässt, sorgt dabei für Unverständnis. Die Schuldenaufnahme lauthals zu kritisieren, obwohl der schwarz-gelbe Dispo wesentlich größer ist als ursprünglich kundgetan und von den 9 Milliarden Euro Neuverschuldung bereits 8 durch Rüttgers & Co. beschlossen wurde, offenbart bereits, dass man die neue Opposition nicht Ernst nehmen kann und diese nur Interesse daran hat, die neue Landesregierung zu diffamieren, anstatt sich erst einmal wieder selbst zu sortieren. Und dass Kraft und Löhrmann dabei auf das Betteln angewiesen sind ist schade.
Einmal hätte vor allem die FDP beweisen können, dass sie inhaltlich nicht völlig ausgedörrt ist. Und es erfordert keinen Hellseher um zu verstehen, dass die FDP zu ihren Wählern zurückfinden könnte, wenn sie Vorhaben unterstütze, die auf ihrer Linie liegen und dem Land dienen würden. Dieser politische Realismus ist wohl unter der Fuchtel von CDU verloren gegangen.
Und dass es selbst einer Partei wie der CDU mehr bringt, Initiativen zu unterstützen, die auch aus dessen Feder stammen könnten, als vehement einen auf Contra zu machen, sollte allgemeiner Tenor sein. Offensichtlich verspricht sich Laumann jedoch mehr davon, auf das Schreckgespenst rot-rot-grüner Verbundenheit zu setzen. Inhaltliche Akzente setzt man hingegen anders.
Wenn alle Parteien in Düsseldorf die Chance erkennen würden, die sich aus dieser Konstellation für NRW bietet, könnte Deutschland Zeuge einer überaus demokratischen und konstruktiven Politik werden. Es geht nicht nur darum, das Land von einer Abstimmung zur nächsten zu regieren, sondern auch einmal wieder den Bürgern zu beweisen, dass Politik auch Vernunft sein kann. Die lausige Wahlbeteiligung im Mai kam nicht von ungefähr. Der Glaube, dass Politik und die Beteiligung daran Sinn machen, schwindet. Dieses Zepter hätten nun CDU und FDP an sich reißen können indem sie einwilligen, sich konstruktiv an der Gestaltung des Landes zu beteiligen. Die Sympathiepunkte hätten reichen können, um das Dasein in der Opposition nach dem Scheitern der Minderheitsregierung (falls es soweit kommt) zu beenden. Auch Schwarz-Gelb in Berlin hätte endlich einmal wieder punkten können. Mit verbalen faulen Eiern um sich zu werfen, bringt dagegen allerdings herzlich wenig.
Die zwei Monate nach der Landtagswahl waren ein stetiges Auf und Ab. Ob sich das nun im Landtag ändern wird, hängt womöglich mehr von den Wahlverlierern ab als von den Gewinnern. Und das ist wiederum davon abhängig in wie weit sich CDU und FDP in ihrer Trotzhaltung verschanzen. Darauf haben die Wähler leider keinen Einfluss mehr.

Off topic: Persönlichkeitsanforderungen an moderne Führung

Die neuen Herausforderungen
Anforderungen an die Persönlichkeit gehen stets einher mit den Vorstellungen derer, die diese Anforderungen stellen. Dies gilt auch für moderne Führung. Demnach ist es immer eine Reflektion der eigenen Ansichten auf andere Personen. Die eigenen Ansichten hingegen sind auch meist durch die Außenwelt geprägt oder gar entstanden. Dazu kann auch die Führung an sich dienen. Folglich sind diese gestellten Anforderungen ein Abgleichen der persönlichen Vorstellungen mit dem Verhalten Dritter.
Diese Vorstellungen passen sich jeweils den kulturellen und historischen Kontexten an. Es ist festzustellen, dass Vorgesetzte mitunter nicht mehr als unantastbar angesehen werden und die Meinungen über die Fähigkeiten dieser relativ präzise in den Köpfen verfestigt sind. Diese Ideale stellen mitnichten immer die Realität dar. So wird der Chef heutzutage gerne nicht mehr als Alleskönner gesehen, sondern als Strippenzieher. Dieser ist jedoch vor die Aufgabe gestellt, nicht nur den Anforderungen der Mitarbeiter gerecht zu werden. Die diesbezüglich relevanten Interessengruppen (sogenannte Stakeholder) stellen heutzutage mehr denn je Forderungen an die Führung. Diese Forderungen können und sind des Öfteren konträr. So verlangen zum Beispiel die Mitarbeiter, dass überschüssige Einnahmen an die Belegschaft ausgezahlt werden, während die Anteilseigner (sofern nicht zu der ersten Interessengruppe dazugehörend) fordern, dass eben solche als Dividendenzahlungen ausgeschüttet werden.
Somit muss die Führung im modernen Unternehmen in der Lage sein, die verschiedenen Interessen der Stakeholder zu balancieren und überzeugend kommunizieren. Insbesondere in der Wirtschaftskrise hat sich bewiesen, dass die Rettung des Unternehmens nicht unbedingt mit der Rettung von Arbeitsplätzen in Verbindung zu sehen ist. Erneut treffen die Interessen der Arbeitnehmer auf die der Anteilseigner. In seiner Funktion ist der Geschäftführer demnach auch ein Mediator, muss seine Entscheidungen durchsetzen können, erkennen lassen, in welche Richtung er oder sie das Unternehmen steuert und selbst als Vorbild vorangehen indem er oder sie gewissenhaft mit der auferlegten Verantwortung umgeht.
Darüber hinaus werden auch durch die Außenwelt Anforderungen an das Management gestellt. Kein anderer wusste dies so gut zu verstehen wie der Managementguru Peter F. Drucker. Der gebürtige Österreicher hat die neuen Herausforderungen an die Führung bereits zum Ende des 20. Jahrhunderts treffend beschrieben. Der Wandel hin zu Dienstleistungen und somit zu Wissen als Ressource verlangt der Führung ab, ihre Mitarbeiter zu fördern und dem Unternehmen das Know-How nutzbar zu machen. Die Fähigkeit, Menschen zu motivieren und an sich zu binden ist dabei gefragt, denn nichts wird Menschen davon abhalten, mit ihrer Ressource zu einem anderen Unternehmen zu gehen.
Weiterhin identifizierte Drucker, dass der demographische Wandel, die Änderung der technischen und elektronischen Daten verarbeitenden Infrastrukturen und die Globalisierung der Führungsriege die Anpassung der persönlichen Eigenschaften abverlangt. Dazu gehören mitunter wesentlich stärker ausgeprägte soziale Kompetenzen sowohl als auch die Fähigkeit, bedingt durch die Verschmelzung der Absatzmärkte, immer komplexere Sachverhalte zu verstehen und entsprechend zu reagieren.

Führung im Wandel der Zeit
Dass sich die oben beschriebenen Vorstellungen dabei wandeln und den jeweiligen Bedingungen anpassen, führt damit auch zu sich stetig ändernden Anforderungen an die Führung. Dieser Prozess hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges beschleunigt. Seitdem sich die Nationen der Welt immerwährend entmilitarisieren, nimmt auch der autoritäre Führungsstil in den Unternehmen ab. Dabei ist ein Engagement hin zu mehr Demokratie und Beteilung, auch in den unteren Führungsebenen zu beobachten. Mit dieser Änderung geht einher, dass Charaktereigenschaften wie unter anderem Empathie, Kommunikationsstärke und Fairness in den Vordergrund treten. Ebenso ist die Fähigkeit, sich in die neu aufgetretene Interessensgruppen hinein versetzen zu können entscheidend, um ein Unternehmen erfolgreich zu manövrieren.
Damit hängt zusammen, dass das Unternehmen als solches auch einen ethisch korrekten Anstrich benötigt um weiterhin in der Gunst der Kunden bestehen zu können. Dem Management wird abverlangt, der Organisation einen Kokon, bestehend aus sogenannten Sustainability Management, Corporate Governance, Minderheitenförderung, sozialem Engagement und dergleichen, zu stricken.
Entscheidend kommt dabei zum Tragen, dass Unternehmen als sich selbst repräsentierende Einheiten wahrgenommen werden, die auch ökologisches Gewissen haben müssen. Die Zeiten, als Organisationen hauptsächlich durch deren Management verkörpert wurden, wie beispielsweise durch Henry Ford oder Werner von Siemens gehören der Vergangenheit an. Machthungrige und egozentrische Persönlichkeiten sind folglich ebenso passé, wie nach einer Person ausgerichtete Organisationsstrukturen.
Die Konsequenz dessen ist auch, dass das Management ersetzbar geworden ist. Zum einen ist dadurch zu erklären, warum Führung sich so stark an den Interessen der Stakeholder orientiert, zum anderen bewirkt dies zudem, dass Persönlichkeitsanforderungen an moderne Führung durch Flexibilität und der Fähigkeit Entscheidungen nach rationalen und ökonomischen Gesichtspunkten zu treffen, geprägt sind. Moderne Führung heißt somit, Interessen balancieren zu können und in der Lage zu sein, dem Unternehmen ein reputabel positives Image zu verleihen.

Samstag, 10. Juli 2010

10.01.0001 A.W. – 10 Tage nach der Wahl von Wulff bleibt die Koalition auf Konfrontationskurs

Die Wahl des Bundespräsidenten Christian Wulff am 30. Juni war eine Farce an sich. Die Koalition hat sich wie zu erwarten uneinig und zersplittert gezeigt, auch innerhalb der CDU selbst. Und Merkel hat noch ein weiteres Stück Führungsstärke und Beliebtheit abtreten müssen. Der Opposition hat's gefreut, nur konnte sie aus dieser Schwäche wiederum keine Stärke für sich ziehen. Und all diejenigen, die gehofft haben, dass die Koalition sich nun endlich noch einmal vor der Sommerpause zusammenreißt, ihren Zwist vergisst und einen Neustart wagt, warten bis jetzt auf ein entsprechendes Zeichen. Es wäre zu schön, hätten Merkel, Westerwelle und Seehofer die Wahl als das wahrgenommen, was es war: ein Alarmsignal. Und zwar dafür, dass auch innerhalb der eigenen Reihen die Überzeugung der Regierung zu folgen flöten geht. Sollte das soweit gehen, dass im Plenarsaal entgegen dem Fraktionszwang eine unübersehbare Anzahl der Abgeordneten gegen einen Gesetzesentwurf der Regierung stimmt oder sich enthält, ja dann sind wir wirklich bei der Regierungsunfähigkeit angelangt, wie es die meisten bereits jetzt schon empfinden.
Und es gibt unheimlich viele, auch kontroverse Themen, wo solche Abgeordneten die Gelegenheit haben werden, zu demonstrieren, dass sie nicht mehr auf Linie mit der Partei sind – alle Machtwörter oder Tipps zum Führungsstil hin oder her. Dass diese ohnehin so schnell verdunsten, wie das Wasser im Rhein, liegt nicht unmittelbar an den momentanen Temperaturen.
Die Anzahl der schwelenden Konflikte ist fast unüberschaubar. Die Gesundheitsreform von Young Star Rösler wurde von CSU zerfetzt und ist eine Enttäuschung auf allen Seiten. Fast schlimmer ist jedoch, dass sie den Bürgern als vermeidlicher Erfolg verkauft wird. Das elektronische Entgeltnachweis-Verfahren, auch ELENA genannt, ist genauso umstritten und von der FDP missbilligt, wie die Rufe nach Steuererleichterungen bei Brüderle. Auch die Kürzung der Solarförderungen und die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen bescheren der Kanzlerin ausreichend Möglichkeiten, ihre Führungsqualitäten zu beweisen. Dass ihr diese auch innerhalb der Partei abgesprochen werden spricht auch für sich.
Weiterhin hätten wir da das Sparpaket und den EU-Beitritt der Türkei als Knackpunkte im Angebot. Vielleicht hilft es, zu den im Koalitionsvertrag vereinbarten Grundsätzen zu stehen und diese als Regierung einheitlich zu vertreten. Wahrscheinlich nicht zu guter Letzt, aber ausreichend an dieser Stelle: die AKW-Laufzeitverlängerung, die so viele verschiedene Kontroversen hervorruft, wie es Unterschiede bei der Sicherheit der AKWs gibt und die Bundeswehrreform. Ein Minister schafft es hierbei, die gesamte schwarz-gelbe Koalition durcheinander zu bringen. Dabei wissen die meisten, wirkliche Alternativen gibt es nicht. Nur sind viele Parteimitglieder unterschiedlichster Couleur über den forschen Tatendrang des Bayern erschreckt.
Die Baustellen sind also groß und vielzählig. Wenn sich jeder auf die Expertise seines Ministerium konzentrieren würde und nicht zu jedem Thema seinen Senf dazugäbe, weil die Profilierungssucht gradewegs zur Krankheit wird, wäre der Regierung schon geholfen, einmal das zu tun, für das sie gewählt wurde: regieren!
Mit den Streitigkeiten sind nicht nur keine Fortschritte zu erzielen, sondern sie verschwenden auch vier Jahre der Wähler und des Landes. Eine zweite Chance zum Zusammenraffen wie die Wahl des Bundespräsidenten wird es vorerst nicht geben. Somit bleibt zu hoffen, dass das Kabinett über die Sommerpause vergisst, worüber es sich permanent streitet und anfängt, mit Konsens zu regieren.

Dienstag, 6. Juli 2010

Blauer Dunst spaltet die Nation – Das bayrische Rauchverbot verleitet zu abstrusen Argumentationen

Nein, dieses Mal ist es nicht die schwarz-gelbe Koalition, die einmal mehr die Gemüter erhitzt und die Deutschen in zwei Lager trennen lässt. Dieses Mal entbrannte die Diskussion um ein Volksentscheid in Bayern, das nun endlich Schluss macht mit den unzähligen Ausnahmeregeln des Nichtrauchergesetzes. Die CSU gibt der erfolgreichen Bürgerinitiative „Bayern sagt NEIN!“ kleinlaut Recht und ist überraschend doch für den Schutz seiner Bürger. Dabei sind Seehofer und Co., die angeblich das beste Gespür für die Belange des Volkes haben, erst Schuld daran, dass es zum Plebiszit kam. Wären sie dem Drängen der Gastronomie mit fragwürdigen Argumenten nicht nachgekommen, hätten die Bayern sie nicht eines besseren belehren müssen.
Und damit diskutiert Deutschland wieder, ob ein bundesweit striktes und einheitliches Rauchverbot Sinn macht. Auch die Frage nach direkter Demokratie wird heftig gestellt und verteidigt, auch als Nachwehen der Wahl des Bundespräsidenten. Dass sich daran die Geister scheiden ist selbstverständlich und dient dem öffentlichen Diskurs über die politisches Gestaltung dieses Landes. Dass sich dabei jedoch beide Fronten mitunter mit fragwürdigen Argumenten bekämpfen ist der Sache hingegen weniger dienlich.
In der Financial Times Deutschland unterstellt Martin Reim zum Beispiel denjenigen, die am Sonntag für die Initiative gestimmt haben Menschenfeindlichkeit, weil sie den Rauchern ihre persönliche Freiheit aberkennen. Dabei hat das Rauchen in geschlossenen Räumen weniger mit der Entfaltung der Freiheit des Einzelnen zu tun, als mit der Einschränkung der Freiheit mehrerer. Der Journalist geht gar soweit, den Nichtrauchern vorzuwerfen, Behinderte bald aus ihrem Blickfeld verbannen zu wollen. Weniger irrational kann die Diskussion nicht geführt werden. Keiner der Ja-Sager hat über Raucher als Menschen geurteilt, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht ungeschützt dem schädlichen Rauch ausgesetzt sein möchten. Und die Konsequenz, dass Nichtraucher dann eben solche Lokalitäten meiden sollten, macht bei durchschnittlich 30% Raucheranteil auch für Gaststättenbetreiber wenig Sinn.
Auf der anderen Seite wird jedoch auch gerne für sich beansprucht, dass man Süchtige zu ihrem Glück zwingen muss. Zivilcourage sozusagen. Auch das geht zu weit. Denn jeder ist immer noch für sich selbstverantwortlich und hat das Recht auf freie Entfaltung. Zu behaupten, jemand anderes könne eher über das Glück seiner Mitmenschen entscheiden ist anmaßend. Hier wird oft übersehen, dass solche Nichtraucher schlussendlich immer im eigenen Interesse handeln und nicht zum Wohle der Raucher. Verständlich, denn gesundheitliche Risiken bestehen durchaus und wer riecht schon gerne wie ein Aschenbecher wenn er nach Hause kommt.
Es ist wieder einmal schwer, die Grenze zu ziehen. Wesentlich schwerer ist es jedoch, die wahren Argumente für das zu finden, was die Mehrheit der Deutschen ohnehin für richtig hält: kein Rauch in geschlossenen Räumen. Dabei wäre es durchaus in Ordnung, einmal nach Gefühl zu entscheiden und dies auch damit zu begründen. Denn wie der bayrische Volksentscheid beweist, fühlt sich die Mehrheit im blauen Dunst unwohl. Und das ist auch das Einzige, was damit bewiesen wurde.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Es ist ein Wulff – Wenn eine Wahl wichtiger wird als das Ergebnis

Alle guten Dinge sind hoffentlich wirklich drei. Denn so viele Wahlgänge waren nötig, um auch die letzten Zweifler an den schwarz-gelben Kandidaten auf Fraktionslinie zu bringen.
Zweimalig wurde Christian Wulff aus seinem Lager abgewatscht. Denn obwohl CDU/CSU und FDP über die absolute Mehrheit in der Bundesversammlung verfügen, konnten oder wollten sich nicht alle Delegierten dazu aufraffen, sich dem Fraktionszwang unterzuordnen. Fraglich ist nur, warum sie sich sträubten. Die FDP verkündete lauthals, dass ihre Reihen geschlossen sind. Wollten also die Schwarzen der Kanzlerin eins auswischen? Oder waren sie tatsächlich der Ansicht, dass Gauck der geeignetere Kandidat ist?
Letztlich lassen sich diese Fragen nicht klären. Doch wenn die Abtrünnigen wirklich an ihre Auffassung des besseren Kandidaten geglaubt hätten, wären sie wohl auch beim dritten Wahlgang nicht eingeknickt. So oder so ein Denkzettel für die Koalition. Gründe dafür, auch in den eigenen Reihen, gäbe es zu genüge.
Aber auch die anderen Parteien haben nicht die Wahl genutzt, um einen Kandidaten ihrer Überzeugung im Bundespräsidentenamt zu installieren, sondern um eine Show zu veranstalten. Warum sonst sollte die rot-grüne Opposition einen Kandidaten nominieren, der eher dem bürgerlichen Lager zuzuordnen ist und einst Favorit der CSU war? Ein überparteilicher Kandidat, zweifelsohne. Und dennoch dreht es sich lediglich um ein rein repräsentatives Amt – Parteizugehörigkeit ist dem Inhalt eindeutig unterzuordnen. Zusätzlich sollte ein Bundespräsident auch jemand sein, mit dem sich das Volk identifizieren kann und der Berlin ab und an Contra bietet. Ein Präsident aus der Parteischmiede ist hingegen ein machtpolitisches Instrument.
Auch die Linke konnte sich einmal behaupten. Dass ihre Kandidatin Jochimsen keine Chance hatte, wohl auch weil sie ihrer Partei zu ähnlich ist, war von Anbeginn offensichtlich. Worum es der Linken letztendlich ging, war das Gefühl, endlich einmal gebraucht zu werden und nicht bloß Stimmengeber zu sein. Die Opposition hat dies mit ihrem Gebaren und Stimmengefeilsche reichlich befeuert. Im nordrhein-westfälischen Landtag hat sich die Minderheitsregierung von der Linken befreit und ihr ein Dasein als fünftes Rad beschert. Je nach Gesetzesvorhaben der Landesregierung, ist sie nun lediglich zur Stimmenabgabe aufgerufen. Für die Regierung, versteht sich. Also konnte die Linke nun einmal die Retourkutsche fahren. Dass sie dabei der Bundesregierung und Opposition in den Karren fahren konnte, kam ihr dabei sehr gelegen.
Somit wird nur nicht im Schloss Bellevue eine Kinderspielecke eingerichtet, sondern der ganze Reichstag war gestern ein ganzer Spielplatz. Jede Partei hat am Spielzeug Bundespräsident gezerrt und wollte nicht nachgeben. Das eigentliche Ziel, für Deutschland einen Bundespräsidenten zu finden der für das gesamte Land spricht, ist klar verfehlt und war sogar nie als solches erkennbar. Wenn die Hälfte des Landes nicht zuhört, wenn der Präsident etwas zu sagen hat oder er gar von der Opposition angegriffen wird, ja dann hat Köhler in der Tat Recht, als er meinte, der nötige Respekt vor dessen Amt ging verloren. Die machtpolitischen Spielereien der Parteien hatten nur die Absicht, die Stärke der Regierung, bzw. ihre Schwäche zu demonstrieren.
Wulff, Gauck und Co. waren damit nur das Mittel zum Zweck. Und obwohl alle Seiten vorgaben Grund zum Feiern zu haben, ist niemand als Gewinner aus der Schlacht gegangen. Die Koalition ist nun geschwächt und hat sich auch innerlich als zersplittert entblößt. Dass es aber Querschläger unter ihnen gibt, ist kein Geheimnis, besonders bei dem Führungsstil der Kanzlerin. Auch die Opposition ist geschwächt. Zwar wollte sie beweisen, dass sie in der Lage ist, die Regierung zu schwächen, aber insgeheim sollte Gauck eben auch als Gewinner aus der Wahl hervorgehen.
Somit war die Wahl für alle Seiten ein Ringen um Macht und parteipolitischen Interessen. Wer jetzt daraus hervorging, scheint nachrangig zu sein. Die Schlacht ist geschlagen. Die Regierung hangelt sich zum nächsten Konflikt, da sie nicht weiß, wie sie diese Schwächung verdauen soll und nutzen kann. Und die Opposition wird wohl weiter Angriffspunkte suchen und auch finden. Das einzig Neue ist der Umzug von Wulff nach Potsdam. Ob er es schafft, sich vom Spielzeug zum Spielmacher zu entwickeln wird sich zeigen. Die Regierung wird er auf alle Fälle überleben.

Mittwoch, 30. Juni 2010

Good Bye G8 - Wie der G20-Gipfel die wachsende Bedeutungslosigkeit der Westmächte verdeutlicht

Gott sei Dank ist der G20-Gipfel zu Ende und Nichts musste beschlossen werden. Da haben die Staats- und Regierungschefs noch einmal Glück gehabt. Und wahrscheinlich waren die Kosten nur deshalb so astronomisch hoch, damit niemand im Vornherein über den möglichen Inhalt diskutiert, sondern nur über die Verschwendungssucht der kanadischen Regierung. Es ist schon merkwürdig und nicht zu rechtfertigen, wenn diese Kosten so hoch sind wie ein Fünftel der zugesagten zusätzlichen Entwicklungshilfen. Auch ist man froh, dass dieser Gipfel so schnell verpufte wie das Geld, das er kostete, weil keine Regierung daheim einen Beschluss rechtfertigen muss, der dem Wähler unschlüssig vorkommt. Denn mittlerweile stehen fast alle Regierungen auf wackligen Beinen (auch in China rumort es bereits in einzelnen Provinzen). Und eben darum wird dieses Treffen der Mächtigsten nicht in die Geschichtsbücher eingehen.
Wohl aber eventuell als eines, das den Wendepunkt in der globalen Politik und dem Mächteverhältnis kennzeichnet. Eines ist nämlich offensichtlich: dass die G8 ihre Entscheidungshoheit eingebüßt haben. Die Zeiten sind vorbei in denen weltweit das umgesetzt wurde, was der Kreis der Auserwählten für richtig hielt. China & Co. verstehen sich mittlerweile bestens darauf, Konsens zu verhindern und Beschlüsse erst gar nicht greifbar werden zu lassen. Nationale Interessen wiegen heute weitaus mehr als ein internationales Stelldichein. Die Wirtschaftskrise hat dies mit den protektionistischen Maßnahmen der jeweiligen Regierungen noch befeuert. Auch das seit Jahren kläglich scheiternde Abkommen der DOHA-Runde spricht Bände für das Bestreben, die Märkte zu globalisieren. So ganz möchte das denn doch niemand. Ganz besonders, wenn es um den bekannten ersten Schritt geht. Die heimischen Märkte und damit auch dessen Wählerstimmen sind den Politikern am wichtigsten - Überschüsse, unfairer Wettbewerb oder Handelsbeschränkungen hin oder her.
Die G8 und davon ganz besonders die USA und Westeuropa sind längst nicht mehr die Motoren der Welt, wirtschaftlich und politisch. Wer sich über die Presse tagelang Schlagabtausche liefert, wie eine Regierung ihr Land zu führen hat (siehe deutsch-amerikanischer Konflikt über das Sparpaket) versucht offenkundig, vom eigenen Abdriften in die Bedeutungslosigkeit abzulenken. Auch außenpolitisch ist es sehr still geworden um die G8 (abgesehen von einem Medwedew im Silicon Valley). Und bilaterale Abkommen ersetzen mehr und mehr multilaterale Beschlüsse. Oft schon geben Staaten wie China und Brasilien in Entwicklungsländern den Ton an. Zugegeben, dieser ist meist ein aus wirtschaftlichen Interessen geprägter Tenor, doch mehr und mehr bestimmen die BRICs, wie die AKPs gegenüber den Großen auftreten. Und die lassen sich nicht erst seit diesem Gipfel vorschreiben, wie sie ihre Länder zu führen haben. Schließlich waren es die USA & Co. die dafür verantwortlich sind, dass Themen wie Finanzmarktregulierung und Defizitabbau auf der Agenda landeten. Sonst könnte man eben wieder wie seit eh und je über weitere Entwicklungshilfe debattieren.
Klar ist also, dass die aufstrebenden Staaten sich nichts mehr von denen sagen lassen wollen, die langsam aber sicher ins Hintertreffen geraten. Was soll man von Ländern erwarten, deren Währungen sich abwechseln Tageshöchstverluste zu toppen, deren Außenminister so präsent sind wie eine Catherine Ashton oder deren Regierung sich am innenpolitischen Konflikten zerreiben? Eben. Und darum werden auch zukünftige Gipfel keine weitreichenden Schlüsse mehr fassen können. Deshalb sollte das Geld von vornerein an die Armen dieser Welt verteilt werden. Die diskutieren ohnehin nicht so gerne.

Sonntag, 20. Juni 2010

NRW: Ein Eiertanz geht zu Ende (vorerst)

Ein Aufatmen geht durch das Ruhrgebiet, das Rheinland, das Sauerland, das Münsterland, ja gar durch ganz Deutschland. Besonders die Parteispitzen um SPD und Grüne werden die Entscheidung der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft mit Erleichterung aufnehmen: die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat geht flöhten und der politische Umbruch auch auf Bundesebene mag für die nächste Wahl vorgezeichnet worden sein. So zumindest die Theorie.
Das Gerangel um den nordrhein-westfälischen Landtag ist mittlerweile schwer nachzuvollziehen. Wie kam es also eigentlich zu diesem Eiertanz? So wirklich verständlich scheinen die Entscheidungen von Frau Kraft nicht zu sein. Zuerst hieß es, die Bürger hätten ganz klar Schwarz-Gelb abgewählt und für eine neue Koalition aus Rot-Grün gestimmt. Bei 6.000 Stimmen weniger für die SPD als für die CDU ist diese Behauptung vielleicht mit einiger Skepsis hinzunehmen. Schaut man sich das Wahlergebnis an, wollten die Wähler aber wohl eher eine große Koalition (oder keine der beiden großen Parteien). Und dieser Wunsch ist auch offensichtlicher. Die Erinnerungen an Rot-Grün im Bund sind verschwommen und durch die Agenda 2010 getrübt. Und dass Schwarz-Gelb ausgedient hat erkennt man auch ohne den Blick auf die Landtagswahlen. Die große Koalition ist den Bürgern hingegen in weitaus besserer Erinnerung geblieben. Die Opposition war damals schwach und war nicht in der Lage fundierte Oppositionsarbeit zu leisten. Und innerlich waren sich beide Volksparteien bis zum Ende relativ einig: die Mehrheit nutzen, Konsens schaffen und wichtige Vorhaben realisieren. Dass es dabei auch mitunter heftigen Zoff gab, ist nicht vordergründig. Somit ist im Moment ebenso nachvollziehbar, dass sich viele Bürger auch auf Bundesebene eine Große Koalition zurückwünschen. Daran hätten sich die Landesfraktionen orientieren können. Was letztendlich hinter den Kulissen geschah, bleibt den Wählern jedoch verborgen. Dass die Bundesvorsitzenden von SPD und Die Grünen aber Druck aufgebaut haben und auf eine rot-grüne Koalition drangen ist dabei kein Geheimnis.
Krafts Glaubwürdigkeit wäre es dennoch gedient gewesen, wenn sie ihre oftmals widersprüchlichen Aussagen über ihre zukünftige Rolle und die der Partei für sich behalten und diese erst nach einer Einigung mit allen Seiten - auch auf Bundesebene - kundgetan hätte. Nur wollte und konnte sie das Entscheidungszepter nicht aus der Hand geben, auch, um nicht den Eindruck zu erwecken, sie sei eine Marionette. Zweifelsohne schlechte Voraussetzungen für eine Ministerpräsidentin.
Die Stelldichein mit der Linken, der FDP und mit der CDU haben dazu für reichlich Verwirrung gesorgt. Anmaßend hat die SPD darauf gewartet, dass ihre Partner auf sie zugehen. Woher diese Sturheit kam ist fraglich. Schließlich hat es die SPD geschafft die anderen Parteien als kompromissfaul dastehen zu lassen, ohne sie sich selbst dabei keinen Deut weit zu bewegen. Bis zu dem Zeitpunkt, als Kraft verkündete aus der Opposition heraus das Wahlversprechen einzulösen, glaubte auch niemand, dass die SPD nicht doch tatsächlich Neuwahlen bevorzugt, obwohl sie das natürlich stets verneinte. Die Demokratie hätte einen ernsthaften Schaden genommen, wäre es soweit gekommen. Das letzte Wort ist dabei allerdings noch nicht gesprochen. Sollte die neue rot-grüne Minderheitsregierung scheitern, wären Neuwahlen das einzig vernünftige. Das Vorhaben steht nun für die gesamte Legislaturperiode auf Messers Schneide. Schon die Wahl zur Ministerpräsidentin könnte für Kraft zum Kraftakt werden. Die Verabschiedung des Haushalts im Herbst ebenso. Die Regierung versucht somit Hürde um Hürde zu nehmen und halbwegs erfolgreich bis zur nächsten Landtagswahl durchzuhalten, ob vorgezogen oder nicht. Dann hofft man auf den Ministerpräsidenten-Bonus und auf eine stabile rot-grüne Mehrheit. Dass das nicht zwangsläufig der Fall ist, hat Rüttgers unfreiwillig bewiesen.
Dennoch kann solche Regierungsarbeit nicht automatisch von Erfolg geprägt sein. Der Druck auf Kraft bleibt konstant hoch und die Angst vor einem Scheitern der Koalition wird bei jeder Entscheidung präsent sein.
Dass Kraft diesen Verhältnissen ausgesetzt ist, ist wohl Gabriel und Co. zu verdanken. Ihren machtpolitischen Interessen wird es zu verdanken sein, wenn das Minderheitsregierungsexperiment scheitert und dabei wohl nicht nur die politische Karriere von Kraft auf dem Gewissen hat. Das Risiko ist groß und wird dennoch in Kauf genommen um im Bundesrat eine Mehrheit zu schaffen und die politische Kehrwende einzuläuten. Dass das nicht Krafts ursprüngliches Ansinnen war, ist leicht zu erkennen. Dass sie daraus gestärkt hervor geht allerdings nicht.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Endlich Sommerpause – Warum die parlamentarischen Ferien gut sind

Bald ist es endlich soweit. Ab dem 12. Juli wird der Bundestag für gute 60 Tage keine Sitzungen mehr abhalten. In der Sommerpause können die Abgeordneten mit ihren Kindern die Schulferien verbringen und sich einmal ganz von allen Reibereien im Parlament erholen. Und das ist auch gut.
Nicht nur die Parlamentarier brauchen nämlich eine Auszeit, sondern auch deren Wähler. Das politische Gerangel und Gezerre stößt mittlerweile auf Unverständnis in so gut wie allen gesellschaftlichen Schichten und der Wunsch nach Abstrafung der Regierung wird unüberhörbar lauter. Die Scharmützel der Koalitionsparteien bringen unser Land nicht voran, höchstens erweitern sie den Wortschatz um politische Faux Pas. Mittlerweile bewegt sich nichts mehr. Sämtliche Entscheidungen werden kaputt debattiert und aufgeschoben. In den Jahren mit einer konstruktiven Regierungsführung waren die Parteien üblicherweise darum bemüht, Gesetzesinitiativen noch vor der Sommerpause durch das Parlament zu bringen. Schwarz-Gelb bildet nun eine Ausnahme. AKW-Laufzeitverlängerung, Debatte um die Wehrpflicht, Kopfpauschale… alle Kontroversen sollen erst nach einer Erfrischungskur angegangen werden, ganz egal, ob es mit der ursprünglichen Planung kollidiert (im Herbst sollte bereits das erste Atomkraftwerk vom Netz gehen). 2009 hat die Große Koalition sogar die Sommerpause ausgesetzt weil die Wirtschaftkrise und der Wahlkampf politischen Tatendrang verlangten. Und dennoch sind sich wohl alle einig: wenn nach der Pause endlich vernünftig angepackt wird, sollen die Projekte ruhig warten.
Begründet wird der Stillstand vornehmlich mit der Wahl des Köhler-Nachfolgers, dem Chaos bei der Regierungsbildung in NRW und selbstverständlich damit, dass Gutachten zu jedwedem Thema noch nicht abgeschlossen sind. Dass viele der anstehenden Projekte aber nicht direkt damit in Verbindung zu bringen sind, wird gerne verschwiegen. Dabei gibt es durchaus Tatendrang unter den Schwarz-Gelben. Ursula von der Leyen hält die Fahne ganz nach oben, anscheinend, um sich vom Verdruss der entzogenen Bundespräsidentenkandidatur abzulenken. Auch andere Kabinettsmitglieder sehen die verordneten Ruhetage als Nichterfüllung des Wählerauftrags. Ändern wird dies wohl nichts.
Einmal mehr werden Tageszeitungen und Nachrichtensendungen in ein Themenloch stürzen und es hoffentlich mit sinnvollen Inhalten füllen. Keine Gurken und Wildsäue mehr. Es kann kaum schöner sein.
Aber auch den Abgeordneten sei die Pause gegönnt. Sie können sich einmal emotional beruhigen, Druck abbauen und sich in der Toskana oder auf Mallorca auf das besinnen, was eine Koalition ausmacht: Verhandlungsgeschick und Kompromissbereitschaft. Auf alle Fälle sollten sie nicht auf die Idee kommen, gemeinsam in ein Jugendcamp zu fahren. Die paar Euro mehr für einen getrennten Urlaub werden das Sparpaket auch nicht scheitern lassen. Auch innerparteilich sollten die MdBs etwas Abstand gewinnen. Das Gefeilsche um den Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten innerhalb der FDP und CDU offenbart die inneren Spannungen. Lagerkoller bereits nach einem Jahr?
Es scheint so. Einzelne Personen heben sich dabei ganz besonders hervor. Seehofer und Pofalla heizen die Stimmung kräftig an und fast wünscht man sich den mittlerweile handzahmen Westerwelle zurück. Dessen Kommentare wurden wenigstens von niemandem Ernst genommen. Oder ein Sarrazin. Über ihn konnte man noch lachen, wenngleich der Inhalt seiner Äußerung eher zum weinen war.
Alle sind also reif für die Insel. Erholt kann die Regierung sich dann an einen gigantischen Berg von Arbeit machen und man hofft, dass diese Arbeit von persönlichen Quälereien ablenkt. Themen gibt es zumindest zu genüge, so dass auch niemand die Gelegenheit haben sollte, sich auf einen anderen einzuschießen, vorausgesetzt, dass sich jeder auf die Regierungsarbeit konzentriert und nicht so tut, als sei man in der Opposition. Jedes Ministerium darf sich auf der eigenen Baustelle austoben: Bildung an der 10%-Marke (Ausgaben für Bildung gemessen am BIP), Verteidigung an der Bundeswehrreform, Finanzen am Defizitabbau, Umwelt an der Vorbereitung für den Klimagipfel in Mexiko und so weiter.
Bereits heute sind dies dringliche Themen. Doch es bleibt zu hoffen, dass eine frische Sommerbrise die Köpfe durchlüftet und die Gemüter beruhigt. Es ist seltsam, wenn die Hoffnung, dass sich ein Politikwechsel vollzieht, darauf beruht, dass die Politik einmal nichts tut. Wenn das nicht hilft, sollte sich die Regierung wohl für den Rest ihrer Legislaturperiode Urlaub nehmen. Politisch gesehen kein Unterschied und die Leute wissen, dass sie auch in den Winterferien kein politisches Sommerloch zu befürchten brauchen.

Montag, 14. Juni 2010

Bundestagswahl 2010 – Das mögliche Ende der Regierung

Der Lärm der Vuvuzela ist nichts gegen das, wie es gerade in der Koalition kracht. Selbst Abgeordnete wissen nicht mehr, an welcher Front sie eigentlich kämpfen. Das liegt nicht unbedingt daran, dass die Tippgemeinschaften zur WM aneinander reiben. Noch nicht einmal ein ¾ Jahr an der Regierung und CDU/CSU und FDP häufen Zerwürfnis über Zerwürfnis an. Spekulationen über den großen Bruch reißen trotz dem Machtwörtchen der Kanzlerin nicht ab. Sie lässt die Sprachgewalt ihres Vorgängers Schröders vermissen und somit ist es nicht verwunderlich, dass munter weitergestichelt wird. Gurken, Rumpelstilzchen und Wildsäuen werden wohl noch andere Verbalausfälle folgen. Es ist ein Kindergarten.
Nun ist eines dieser schwelenden Konfliktherde die Wahl des Bundespräsidenten am 30. Juni. Die FDP droht, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, die Wahl von Merkels Kandidaten Christian Wulff gegen die Wand fahren zu lassen. Und immer mehr Landesverbände der FDP liebäugeln mit dem Gegenkandidaten der Opposition, Joachim Gauck. Der war übrigens auch einmal der Liebling der CSU – bei der Bundespräsidentenwahl 1999, jedoch lehnte er die Nominierung ab. Ein überparteilicher Kandidat also, der das Potenzial hätte, die Regierung wieder zu einem inneren Frieden zu bewegen, wenn die Kanzlerin ihre parteiinternen Machtspielchen ignoriert hätte. Und stellen wir uns nun einmal vor, am 30. Juni kommt es zum Eklat und die Bundesversammlung kommt im ersten und zweiten Wahlgang zu keinem eindeutigen Ergebnis. Es wäre das Todesurteil für die Ehe Schwarz-Gelb.
Interne Streitigkeiten hätten der Koalition die Grundlage ihrer Regierungsarbeit beraubt und nehmen wir auch einmal an, Merkel würde sich eines Instruments bedienen, das unter Rot-Grün des Öfteren Anwendung fand: sie stellt die Vertrauensfrage. Und da es nicht nur bei der FDP brodelt, sondern auch in der eigenen und in der Schwesterpartei, wird ihr das Vertrauen versagt bleiben. Neuwahlen werden ausgerufen und die Bürger dürfen wieder einmal zur Urne gebeten werden.

Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre…


Laut der aktuellen Emnid-Umfrage „Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre…“ würde erneut keine Wunschkoalition zustande kommen. Das Ergebnis unterscheidet sich nicht sonderlich von der letzten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Bleibt nur die Frage, ob die Koalitionsverhandlungen genauso verkorkst laufen. Zwar hat die SPD auf Bundesebene den Linken eine klare Absage erteilt, aber von deren Standfestigkeit ist wohl nicht einmal mehr Sigmar Gabriel selbst überzeugt. Und dennoch wäre Rot-Rot-Grün eine Option vor der die SPD zurückschrecken wird und sollte. Mit einer Partei zu koalieren, die immer noch in romantischer Erinnerung an eine Diktatur schwelgt, würde die Demokratie, die seit nun mehr über 60 Jahren Frieden in Europa sicherstellt, beschädigen. Das darf keine Volkspartei riskieren. Ob die mit dem Zerbrechen der Koalition einhergehenden Stimmenverluste für CDU/CSU und FDP ausreichend sind, um eine Neuauflage von Rot-Grün zu ermöglichen ist zweifelhaft.
Auch ließe sich von der Landtagswahl ableiten, dass Jamaika in Berlin nicht funktionieren wird. Die FDP ist stark beschädigt. Sie hat für die Regierungsbeteiligung durchaus sehr fähige Minister gestellt, doch es scheint, als ob sie sich aus der Oppositionsstarre nicht befreien konnte und sich im Grunde genommen wieder dorthin zurückwünscht. Gelb ist out.
Und für viel mehr reicht es auch andernorts nicht. Nostalgiker aus CDU und SPD wird das freuen. Eine Neuauflage der großen Koalition ist die einzige realistische Option für eine Bundestagswahl 2010. Wie zwei Verliebte nach langer Trennung und einer Zeit der Bitterkeit werden sich die beiden Großen mit Harmoniegelübde überschlagen. Deutschland könnte endlich mal wieder von einer Lust zu Reformen erfasst werden. Der Gestaltungswille wäre wahrscheinlich, über die Koalitionsverhandlungen hinaus, groß.
Doch woran scheiterte die große Koalition 1.0? Es waren unüberbrückbare Differenzen, überzogener Stolz und ständiges Schielen auf potenziell angenehmere Koalitionspartner. Die CDU wurde bei letzterem zumindest besser belehrt. Eine inhaltliche Annäherung zu Bildung, Wirtschaft oder Soziales gab es nach wie vor nicht. Wie könnte es auch? Schließlich war vorerst kein Bedarf für eine Annäherung.
Konkret scheinen Konflikte über die AKW-Verlängerung, das Sparpaket und schließlich die K-Frage unüberwindbar. Schlussendlich bleibt aber alles eine Frage der Machtverhältnisse und der Not zu Zugeständnissen.
Das trifft nun auch auf die Bundespräsidentenwahl am 30. Juni zu. Wenn CDU/CSU und FDP sich nicht der Dramatik dieser Stunden bewusst werden und sich weiterhin nur mit sich selbst, statt mit dem, was dieses Land bewegt, beschäftigen, wird eine Bundestagswahl noch in diesem Jahr äußerst wahrscheinlich. Dann hilft auch kein Auf-den-Tisch-Gehaue von Merkel, sondern nur die Erkenntnis, dass ein Bündnis mit dem augenscheinlich besten Koalitionspartner immer noch keine funktionierende Regierung ausmacht.