Sonntag, 4. November 2012

Renes kleines Manifest. Oder: Die Fliehkräfte dieser Welt.

Es ist nicht anmaßend zu behaupten, dass die Welt momentan Fliehkräfte erlebt, denen sich ihre Bevölkerung bisher noch nicht ausgesetzt gesehen hat. Zum Einen, weil Dank Facebook, Twitter und Co. langsam so etwas wie ein wahres globales Kollektiv entsteht. Zum anderen aber auch, weil die weltweiten Bünde der Menschen die Ereignisse wesentlich nahbarer machen als noch zur Mitte des letzten Jahrhunderts, da sich Beziehungen immer stärker über den Globus ausbreiten. Schön kann das sein. Jedoch ist dieses kollektive Erleben besonders in Zeiten ausgeprägt, die durch Leid gekennzeichnet sind. So war 9/11 wohl weltweit das erste Ereignis, das das Gros der Menschheit betroffen machte. Und der gesteigerte Zugang zu mehr oder minder verlässlichen Nachrichten scheint das Momentum der Fliehkräfte unentwegt zu steigern.
Klimaschutz vs. wirtschaftliche Prosperität. Arabischer Frühling vs. nicht einzuschätzende neue Regierungen. Verknappung natürlicher Ressourcen vs. fortschrittlichere Fördermethoden. Sanktionierung der iranischen Regierung vs. Schonung der iranischen Bevölkerung. Atomausstieg vs. steigende Strompreise. Pakistan vs. Indien. Datenschutz vs. Online Communities. Und viele weitere. Gewiss, mitnichten muss es sich dabei unentwegt um Gegensätze handeln. Doch viele verlangen eine Positionierung ab. Eine Positionierung eines jeden einzelnen. Aber auch der Regierungen und Staatengemeinschaft. Letzteres scheint Utopie. Zu pluralistisch sind die Interessen, zu verschieden der Wertekanon. Dabei begegnet der aufstrebende Teil dieser Welt, von Indonesien bis Brasilien den sogenannten westlichen Maximen noch mit einer Art Befremden, obschon das Recht auf freie Meinungsäußerung oder Wahl der Religion universelle Werte sind. Und somit hat die Verbreitung vom Bild des freien Bürgers um den Globus dafür gesorgt, dass sich eine ganze Generation in den Maghreb-Staaten, sowie im mittleren und nahen Osten, gezwungen sah, sich ihrer totalitären Regime zu entledigen. Mit einer verblüffenden Widerstandsfähigkeit selbst gegenüber militärischer Gewalt für die eigene Person und der Nation die Freiheit zu erkämpfen. Zur Zeiten des Kalten Krieges wäre eine solche Bewegung, insbesondere aber ihre Schlagkraft, nicht möglich gewesen. Der Einmarsch der Sowjets in die Tschechoslowakei hat dies bedauerlich bewiesen. Den Revolutionären jedoch mangelnden Kampfesgeist zu diagnostizieren, wäre anmaßend. Vielmehr waren die ehemaligen Satellitennationen der UdSSR nicht im Visier einer empathischen Weltgemeinschaft. Das erlaubte ihnen, ungesehen oder zumindest ungeachtet, dem Freiheitsstreben ihrer Bürger ein jähes Ende zu bereiten. Sicher, den Tunesiern, Ägyptern und allen anderen befreiten Nationen hat nicht die Empathie der Welt zum Sieg verholfen. Und dennoch konnten sich die Diktaturen nicht den Fliehkräften einer globalisierten Welt entziehen. Folglich sind diese Kräfte nicht nur Anlass für innere, sondern auch äußere Konflikte und Dilemma. Es sind diese Fliehkräfte, die nicht nur dem biblischen Jesus den Wunsch nach einem Weltfrieden auf die Lippen schrieben, sondern auch allen Generationen nach dem zweiten Weltkrieg inhärent geworden sind. Seitdem nicht nur Modells auf Laufstegen ihren Traum vom Weltfrieden proklamieren, ist es auch en vogue dafür zu kämpfen. Denn das Streben nach Gleichberechtigung, Autarkie und Glück ist allen gemein. Die Gefährdung des individuellen Wohlstands hindert die Mehrheit jedoch daran, diesem Wunsch durch Taten Ausdruck zu verleihen. Meiner Meinung nach ist dies letztlich auch der Grund dafür, dass Brutstätten des Bösen, wie Terrorismus entstehen. Weder sind es die im Himmel versprochenen Jungfrauen, noch sind es garantierte Boni, die dazu führen, dem Wohl der Allgemeinheit zuwider zu handeln. Vielmehr sind es, und eine Bewegung namens Occupy scheint dies in Ansätzen verstanden zu haben, existenzielle Nöte, die dem Menschen vergessen machen, dass wir friedfertige Wesen sein wollen. Homo homini lupus gilt nicht mehr. Zwar ist es illusorisch zu behaupten, ein jeder sei Gutmensch und verbreite Liebe. Zumal weltweite Zuwiderhandlungen gegen eine freie Demokratie zeitweilig zunehmend sind. Dennoch ist insbesondere der Klimaschutz ein Zeichen dafür, dass sich Menschen über die Belange ihrerselbst und die ihrer Generation zum Wohle des Planeten engagieren - ohne unmittelbaren Nutzen für ihre Person. Die Verbundenheit zur Natur fußt auf dem Urinstingt von Geben und Nehmen, innerer sowie äußerer Balance (ohne esoterischen Schnickschnack!). Die Rückkehr zu diesem Instinkt suggeriert das Überwinden individueller existenzieller Nöte und ist einmal mehr ein Zeichen für die Fliehkräfte der Globalisierung. Denn Klimaschutz ist global. Es mutmaßt an, dass wir mit dieser Rückkehr uns unserer Vorfahren und den Urvölkern wieder annähern. Die Überwindung einer Entfremdung als Versuch, das Momentum globaler Diversität zu entschleunigen. Ursächlich für diese Entfremdung ist, auch wenn es stereotypisch erscheint, der Kapitalismus. Nun bin ich bei Weitem kein Kapitalismusgegner - ganz im Gegenteil verehre ich die Errungenschaften, die er mit sich brachte und bringen wird. Und nur Dank des Kapitalismus entstand Globalisierung, die Wohlstand um den Globus trägt. Und doch war die Erkenntnis, dass sich ein individueller Mehrwert schaffen lässt, wenn über die eigenen Bedürfnisse hinaus produziert wird und die Güter der Gemeinschaft feilgeboten werden, wohl der Anlass sich nicht mehr mit dem zu genügen, was man selbst zum Leben benötigt. Und schließlich avancierte dieser Mehrwert zum für das eigene Leben Benötigten. Ein Kreislauf war in Gang gesetzt und die Formel nach Angebot und Nachfrage war geboren. Und wie das Wort Mehrwert veranschaulicht, wurde das Mehr zum Mantra ganzer Epochen. Es mündete in Kriegen und gar der Erschaffung von Religionen. Denn die Verheißungen eines Mehr versprechen individuellen Wohlstand. Und nur durch die Überwindung existenzbedrohender Umstände, war es der Menschheit beschieden, sich den barbarischen Fesseln der Vorzeit zu entledigen. In der Konsequenz bedeutet dies jedoch nicht, dass dieses Mantra für alle Ewigkeit Geltung haben wird. Sicher, Wachstum, insbesondere im wirtschaftlichen Sinne, ist aufgrund der heutigen Beschaffenheit von Staaten notwendig, schlicht schon um Ärmeren Prosperität zu ermöglichen oder die steigenden Gesundheitsausgaben finanzieren zu können. Die Besinnung auf das Notwendige, auch auf fiskaler Ebene, wird jedoch zu einer Entschleunigung der Fliehkräfte führen. Dabei werden wesentliche Wachstumtreiber bisher weitestgehend vernachlässigt: persönliche Entfaltung, Frieden und Glück. Wenn diese Faktoren auch auf staatlicher Ebene zu Handlungsmaximen erhoben werden, gelingt es, dem individuellen Traum von ebendiesen Werten einen institutionellen Rahmen zu verschaffen und über die Grenzen der persönlichen Reichweite hinauszutragen. Mit Hilfe der weltweiten Fliehkräfte könne somit nach der sogenannten Demokratisierungswelle, eine ebenso starke Glückswelle rauschen. Der Staat als solches ist ein Konstrukt gemacht und gesteuert von Menschen. Er garantiert die Sicherheit seiner Bürger indem sich Bürger dafür einsetzen. Auch wenn dies nicht ausschließlich einer altruistischen Einstellung geschuldet ist, sind Volksvertreter die Multiplikatoren für des Volkes Wille. Und somit wird jede Wahl Ausdruck für die Fliehkräfte innerhalb des Wahlvolkes. Obwohl sie dies somit zu Getriebenen macht, verfügen Volksvertreter über die nötige Machtfülle, die Wünsche ihrer Bürger im institutionellen Rahmen umzusetzen. Fehlt also nur noch der Katalysator, dem Wunsch der Menschen nach Frieden und Glück auf den Wahlzettel zu verhelfen. Und dieser befindet sich einmal mehr in jedem selbst. Wenn die äußeren Gegebenheiten es zulassen, also die Unterdrückung zu stark ist, oder die Grundbedürfnisse ausreichend befriedigt sind, stellt sich unweigerlich die Frage nach dem Mehr im rein immateriellen Sinne. Die Sensibilisierung für die Nöte der Mitmenschen auf dem Planeten, geschuldet dem ungehinderten Informationsfluss, oder die Beispielnahme am Wohlstand Anderer im freitheitlichen Sinne, wecken den Wunsch sich auf das Unmittelbare zu besinnen, also die Befriedung des eigenen, den persönlichen Sphären zugänglichen Umfelds. Zugegeben, es widerspricht zum Teilen einer globalen Empathie. Doch ist der Mensch nur im Stande im Kleinen zu bewirken, was er im Großen wünscht. Somit sind Spenden und andere caritative Handlungen zwar Ausdruck eines hilfsbereiten Wesens. Allerdings ist der Frieden nur zu erlangen, wenn ein jeder diesen für sich selbst sucht und für ihn einzustehen bereit ist. Sei es nun durch Löschen seines Facebook-Accounts, oder durch das Demonstrieren auf dem Tahrir Platz.

Donnerstag, 10. Mai 2012

RIP Griechischer Euro

Unverzüglicher Austritt Griechenlands aus der Währungsunion ist unvermeidbar

Das Gezerre um Griechenland nimmt kein Ende. Seit dem Aufdecken des massiven Haushaltsdefizits im Herbst 2009 dreht sich die europäische Schuldenkrise weitestgehend um die Hellenen. Und somit auch die Rettungsbemühungen der EU und des IMF, sowie die Garantien europäischer Steuerzahler.

Seit Heraufziehen der Krise ist Griechenlands Rating von BBB+ auf CCC (S&P) gesunken – „extremely speculative“ im Fachjargon also. Und so muten auch die Rettungsmaßnahmen an. Nicht nur, dass viele Bundestagsabgeordnete keine Ahnung hatten, welche Geister sie nun rufen – teils auch beabsichtigt in Unwissen belassen, nimmt die Bereitschaft in der Koalition und Bevölkerung rapide ab, weitere Maßnahmen zu billigen.

Und so kam es, dass das erste Hilfsprogramm im April 2010 als ein großverkündeter Rundumschlag gegen die Finanzmärkte gefeiert wurde. 110 Milliarden Euro. Das war wohl nichts. Genauso wenig wie die mutmaßlich konstruktiven Vorschläge aus dem Lager Stammtisch: der Verkauf griechischer Inseln war ebenso im Gespräch wie der Export griechischen Solarstroms nach Deutschland und deutschen Rentnern ihren Urlaub in der Nebensaison in Griechenland schmackhaft zu machen.

Alles heiße Luft, so dass im Juli 2011 die Aufstockung des Rettungspakets um weitere 109 Milliarden Euro beschlossen wurde. Darüber hinaus haben sich auch private Gläubiger einen Verzicht auf 37 Milliarden Euro aus den Rippel leiern lassen.

Damals wie heute wurden anlässlich jeder einzelnen Schreckensnachricht aus Griechenland Austrittsrufe laut – raus aus dem Währungsraum, raus aus der EU! Letzteres jedoch weniger als Drohung, denn als notwendige Konsequenz aus Vertragslücken im Regelwerk. Solchen Rufen wurde jedoch mit Hilfe einiger, aus damaliger Sicht nachvollziehbarer Gründe eine Abfuhr erteilt:
  1. Der Austritt schafft einen unkontrollierbaren Präzedenzfall, die Folgen seien unabsehbar.
  2. Die Ansteckungsgefahr für den restlichen maladen Währungsraum könnte eine Kettenreaktion in Gang setzen.
  3. Die Gläubiger müssten mit einem kompletten Zahlungsausfall Griechenlands rechnen.
  4. Griechenland entzöge sich damit jeglicher Kontrolle von außen.
  5. Ein Wiedereintrittsszenario war bis dahin noch nicht entworfen worden.
  6. Und letztlich die Psychologie der Teilnehmer: das Eingestehen einer Niederlage, die Kapitulation vor den Märkten, die Hoffnung gestärkt aus der Krise hervorzugehen und den Euro als Ganzes zu retten.
Nun denn, auch die weiteren Rettungsversuche fruchteten wenig. Der Lebensstandard der griechischen Bevölkerung sinkt rapide. Es gab Tote bei Demonstrationen in Athen. Die Märke beruhigten sich keineswegs. Und die Solidargemeinschaft sah sich im März diesen Jahres erneut gezwungen, dem griechischen Fiskus unter die Arme zu greifen: 130 Milliarden Euro Kreditzusagen und der Verzicht privater Gläubiger auf 85,5 Prozent ihrer Forderungen.

Die Rettungsmaßnahmen von außen gehen einher mit massiven Sparbemühungen der hellenischen Regierung: 3 Sparpakete und die Ankündigung eines weiteren haben die griechische Konjunktur in einen unaufhaltsamen Abwärtsstrudel gestürzt. Doch nicht nur die Konjunktur unterliegt dem Schicksal griechischer Sparpolitik, auch die internationalen Geldgeber sind auf Gedeih und Verderb mit der Entwicklung des Inselstaates verbunden. Die Reduktion der Gesamtverschuldung auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bis 2020? Keinesfalls sicher.

Und jetzt das: der Ausgang der Wahlen am Sonntag verheißt nichts Gutes. Die pro-europäischen sparwilligen Volksparteien sind abgewählt und koalitionsunfähig. Außengruppierungen, links als auch rechts, geben den Ton an. Und der ist mitunter wenig kompromissbereit. Abermals ist Europa gelähmt von den Entwicklungen in einem 11 Millionen Einwohner Land, dessen Anteil am EU-BIP nicht einmal 3 Prozent beträgt. Die Wahlentscheidung einiger weniger beeinflusst die Politik in der gesamten Union, fesselt die Märkte, bestimmt die Agenda monetärer Institutionen und betrifft letztlich auch jeden einzelnen Steuerzahler.

Diese Einflussnahme muss nun endgültig beendet werden. Griechenland darf zwar nicht alleine seinem Schicksal überlassen werden, doch die Vergemeinschaftung dessen ist nicht weiter tragbar. Die Hellenen müssen den Euroraum und die Union verlassen – wenn nicht aus freien Stücken, dann gezwungenermaßen. Der Versuch ein krankhaftes Körperteil zu genesen ist nur insoweit nachvollziehbar, bis er nicht droht, den gesamten Organismus abzutöten. Das Gegenmittel der Medizin: Amputation. Denn die Gesundung des Euroraums steht auf dem Spiel, da sich die Märkte nicht beruhigen, die Mittel aus IMF, ESM und EFSF ins bodenlose Fass Griechenland fließen und die Europäer insgesamt nicht aus ihrem Krisentief kommen.

Aus heutiger Sicht spricht, die obigen Punkte wieder aufgreifend, nichts gegen eine Abkopplung der Griechen.
  1. Der Verbleib Griechenlands in der Union ist mittlerweile unkontrollierbarer als dessen Ausschluss (siehe Wahlen). Der Best Case sieht eine Entschuldung bis auf 120 Prozent des BIP bis 2020 vor. Die letzten 2 Jahre beweisen, eine Planung über 8 Jahre ist völlige Utopie.
  2. Spanien, Italien etc. haben eigene Entschuldungsagenden, welche bis auf wenige Ausnahmen stringent und erfolgreich verfolgt werden. Zwar bleibt die konjunkturelle Entwicklung größtenteils hinter den Erwartungen zurück, dennoch sind es die Nachrichten aus Griechenland, die die Blicke der Märkte immer wieder auf die anderen Staaten lenken und das Unsicherheitsniveau hochhalten.
  3. Mit dem Verzicht von 85,5 Prozent ihrer Forderungen haben die Gläubiger bereits auf das Gros griechischer Verbindlichkeiten verzichtet. Unabhängig von etwaigen bestehenden Kreditausfallversicherungen mancher Gläubiger, ist der Verzicht auf die übrigen 14,5 Prozent durchaus zu verkraften.
  4. Der Austritt Griechenlands darf nicht zur Folge haben, dass Verbindlichkeiten gegenüber IMF und EFSF nicht weiter bedient werden. Ein Verzicht der Privatgläubiger, also vornehmlich Banken, darf für EFSF & Co. nicht gelten. Andernfalls würden die griechischen Verluste allen europäischen Steuerzahlern aufgebürdet werden. Dies ist nach bestehenden Verträgen verboten, denn Artikel 125 des Lissabonner Vertrags sagt unmissverständlich „Die Union haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen […]“. Somit haben die Institutionen weiterhin die Möglichkeit, Einfluss auf die griechische Regierung zu üben und die Einhaltung des Sparkurses zu überwachen.
  5. Ein Wiedereintrittsszenario fehlt weiterhin. Ehrlicherweise ist jedoch auch keines notwendig. Denn seit der Einführung des Euro 2001 ist die Euro-Zone von 12 auf 17 Mitglieder angewachsen. Dabei geriet keines der Mitglieder seit 2001 so sehr ins Straucheln wie Griechenland. Analog zu diesen Staaten ließe sich auch in Griechenland der Euro wieder einführen.
  6. Hier liegt wohl die größte Herausforderung: das Eingestehen eines Scheiterns der Währungsunion als Ganzes. Doch Tränen darüber zu verlieren wäre reine Heuchelei. Dass Bevölkerung, Politik und EZB dem Übel der Hellenen Leid sind, lässt sich nicht nur an den halbherzigen Ermahnungen nach den Wahlen am Sonntag, den Sparkurs weiterhin zu verfolgen, ablesen. Auch die Bereitschaft ein dringend notwendiges Wachstumsprogramm zu entwickeln ist äußerst gering. Investitionen in Infrastruktur und Arbeitsmarkt sind eben kurzfristig nicht so renditestark wie Kredite und schwerer zu argumentieren als reine Bürgschaften. Folglich ist die Idee gemeinsamer europäischer Projektanleihen Seifenblasenpolitik. Die Beteiligten müssen über ihren Schatten springen und sich das Unvermeidliche eingestehen.
Sicherlich, ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion birgt ungewisse Risiken. Jedoch der Sicherheit eines schleichenden Staatsbankrots der Unsicherheit potenzieller Risiken Vorzug zu geben ist feige. Der Austritt würde der Union die benötigte Ruhe verschaffen sich angemessen auf die anderen Krisenstaaten zu konzentrieren. Deren Wirtschaften sind noch weitestgehend intakt und lassen sich entsprechend über Reformen und Sparwillen aufpäppeln.

Darüber hinaus sind weitere Investitionen in Strukturprogramme notwendig, welche die Ressourcen aus EFSF und ESM beanspruchen werden. Diese sollten den funktionierenden Wirtschaften vorbehalten werden. Darüber hinaus wird deutlich, dass Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit lediglich über das Herabsenken der Lohnstückkosten, sowie der Abwertung einer eigenen Währung herzustellen vermag. Der Verbleib in der Eurozone und die Refinanzierung über die Kapitalmärkte bricht den Hellenen das Genick.

Mit der Unterstützung von EU und IMF kann ein eigenständiges Griechenland mit neuer Drachme wesentlich effektiver und im Besonderen weniger zu Lasten der Bevölkerung „restauriert“ werden. Die Rückkehr an den Kapitalmarkt und in die Währungsunion sollte nach erfolgreicher Konsolidierung in Aussicht gestellt werden. Was fehlt ist bisweilen der Mut, das Unvermeidliche endlich auszusprechen und den griechischen Euro zu Grabe zu tragen.