Mittwoch, 21. Juli 2010

Die EU ist zurückgekehrt!

Die Europäische Union ist wieder da. Mit dem Vorstoß der EU-Kommission, die deutschen Subventionen für den Steinkohleabbau bereits bis 2014 auf die Liste der verbotenen Subventionen zu setzen, kommt sie den Beschlüssen der ehemaligen Bundesregierung nicht nur um 4 Jahre voraus, sondern zeigt auch endlich wieder, dass es die Wirtschaftsunion immer noch gibt.
Dass die Vertretung der Interessen der einzelnen Mitgliedsstaaten seit der Finanzkrise besonders in den Vordergrund gerückt ist, hat Brüssel viel Macht gekostet. Nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers waren die Regierungschefs äußerst bemüht, gemeinsam Finanzmarktregeln und Konjunkturpakete zu beschließen. Als sie jedoch den geballte Gegenwind der G20 im Gipfel 2008 in Washington verspürten, wurden sie kleinlaut. Die Maßnahmen sollten entweder global beschlossen werden, oder national. Diese Losung wurde nie ausgerufen, doch sind es ausgerechnet die EU-Staaten, die dieser Notlösung euphorisch verfallen sind. Inmitten der sich verschlechternden Wirtschaftslage war schlicht keine Zeit für mühsames und diplomatisches Taktieren. Die Situation verlangte schnelles Handeln.
Auch nach der Lissabon-Reform war die EU nicht der richtige Ort für schnelles Handeln. So glaubten zumindest Brown, Sarkozy, Merkel und Co. Die Befindlichkeiten der heimischen Wirtschaft wiegen einfach zu schwer. In den großen Volkswirtschaften der Union standen zudem Wahlen an. Schwierige Voraussetzungen um sich auf Kompromisse zum Wohle der Gemeinschaft zu einigen.
Innerlich hat sich die EU auch einiges zumuten müssen. Sie ist immer noch stark mit den Auswirkungen der Lissabon-Reform beschäftigt. Das freudlose Dasein von Herman Van Rompuy und Catherine Ashton demotiviert viele Abgeordnete. Erschwerend kommen das Kompetenzgezerre zwischen Kommission und Parlament und die wenig prestigeträchtigen Ratspräsidentschaften hinzu. Beitrittsverhandlungen mit neuen Kandidaten leisten ihr Übriges. Somit ist es nicht verwunderlich, dass Brüssel auch mit sich selbst beschäftigt ist. Die Bau –und Unglücksstellen sind gewaltig und selbst mit denen der Bundesregierung nicht zu vergleichen.
Umso erfreulicher ist es, dass sich die EU-Kommission wieder zu Wort meldet. Und das nicht nur im Revier deutscher Subventionen. Auch im Streit zwischen Airbus und Boing schalten sich die Kommissare ein und wollen Revision gegen das Urteil der WTO einreichen, dass die europäischen Beihilfen für den Flugzeugbauer Airbus für unzulässig erklärte.
Ob die Entscheidungen der Kommission richtig sind, soll nicht an dieser Stelle bewertet werden. Vielmehr sollte bemerkt werden, dass sich die EU nach dem Chaos für die Rettung Griechenlands wieder gefangen hat. Die vermeidlichen Vorreiter des europäisches Gedankens Sarkozy und Merkel haben ordentlich Sand in das Unionsgetriebe gestreut. Wie schnell der Markt an der Existenzberechtigung der Währungsunion zweifelt hat die Hinhaltetaktik der Kanzlerin ausreichend demonstriert. Der Glaube an eine standfeste und solide EU ist selbst nach fast 60 Jahren nach der ersten Gründung der EG nicht etabliert. Grund dafür mögen die Unwissenheit über die wahre Funktionsweise des riesigen Apparats und die Undurchschaubarkeit der schier unzähligen Institutionen sein. Denn dass die EU ein PR-Problem hat ist seit Langem offensichtlich.
Allen Zweiflern und EU-Gegnern zum Trotz, müssen sich Kommission und Co. erneut ihrer Mission verschreiben: ein einiges Europa zu schaffen. Die Steine, die ihr dabei von Einzelspielern, Nationalpolitikern wie auch einzelnen Staaten, in den Weg geworfen werden, müssen unter der Gewalt der Räder, die sie nun auch laut den Verfassungen der Mitgliedsstaaten besitzt, zermahlen werden. Notfalls muss der ein oder anderer Politiker dafür in den Seitengraben springen. Nur ist es wichtig, in Zukunft nicht erneut im Tosen nationaler Befindlichkeiten unterzugehen. Denn dann würde nicht nur an der Existenzberechtigung der Währungsunion, sondern auch an der der Europäischen Union gezweifelt werden.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Auf die Plätze, fertig, los! - Kraft und Löhrmann regieren, Laumann und Pinkwart sabotieren

Hannelore Kraft ist Ministerpräsidentin. Überraschend ist das nicht. Auch nicht, wie die Wahl ablief. Dass sich die schwarz-gelbe Opposition nun doch irgendwie wieder ganz gut versteht schon. Vor allem auf Bundesebene. Man hat den Eindruck, dass Merkel & Co. froh seien, endlich wieder Opposition spielen zu dürfen; mit dem Regieren funktioniert das anscheinend ja nicht so gut. So lang das gemeinsame Echauffieren der Koalition verhilft, auch konstruktiv miteinander zu sprechen, ist es wohl auch in Krafts Interesse. Denn die verkündete Fundamentalopposition von Laumann und Pinkwart kann auf Dauer der CDU und FDP keine Wählerstimmen bringen. Die Bundesparteien werden über Kurz oder Lang eingreifen, wenn sie das Gefühl haben, dass die Blockadehaltung zu weiteren Stimmenverlusten führt. Dennoch, falls der Vorwurf der Regierung von Wählertäuschung wirklich zu einer Einigung auf Bundesebene beiträgt, ja dann wären auch das überraschend. Vielleicht ist die Aufregung aber nur dem Neid zu verschulden, dass die rot-grüne Kandidatin bereits im zweiten Wahlgang gewählt wurde und nicht wie Bundespräsident Wulff im dritten.
Und nun beginnt die Bettelkoalition ihre Arbeit. Dass die Entrüstung der ehemaligen Landesregierung über den Koalitionsvertrag ebenso groß ist, wie der Scherbenhaufen, den sie zurücklässt, sorgt dabei für Unverständnis. Die Schuldenaufnahme lauthals zu kritisieren, obwohl der schwarz-gelbe Dispo wesentlich größer ist als ursprünglich kundgetan und von den 9 Milliarden Euro Neuverschuldung bereits 8 durch Rüttgers & Co. beschlossen wurde, offenbart bereits, dass man die neue Opposition nicht Ernst nehmen kann und diese nur Interesse daran hat, die neue Landesregierung zu diffamieren, anstatt sich erst einmal wieder selbst zu sortieren. Und dass Kraft und Löhrmann dabei auf das Betteln angewiesen sind ist schade.
Einmal hätte vor allem die FDP beweisen können, dass sie inhaltlich nicht völlig ausgedörrt ist. Und es erfordert keinen Hellseher um zu verstehen, dass die FDP zu ihren Wählern zurückfinden könnte, wenn sie Vorhaben unterstütze, die auf ihrer Linie liegen und dem Land dienen würden. Dieser politische Realismus ist wohl unter der Fuchtel von CDU verloren gegangen.
Und dass es selbst einer Partei wie der CDU mehr bringt, Initiativen zu unterstützen, die auch aus dessen Feder stammen könnten, als vehement einen auf Contra zu machen, sollte allgemeiner Tenor sein. Offensichtlich verspricht sich Laumann jedoch mehr davon, auf das Schreckgespenst rot-rot-grüner Verbundenheit zu setzen. Inhaltliche Akzente setzt man hingegen anders.
Wenn alle Parteien in Düsseldorf die Chance erkennen würden, die sich aus dieser Konstellation für NRW bietet, könnte Deutschland Zeuge einer überaus demokratischen und konstruktiven Politik werden. Es geht nicht nur darum, das Land von einer Abstimmung zur nächsten zu regieren, sondern auch einmal wieder den Bürgern zu beweisen, dass Politik auch Vernunft sein kann. Die lausige Wahlbeteiligung im Mai kam nicht von ungefähr. Der Glaube, dass Politik und die Beteiligung daran Sinn machen, schwindet. Dieses Zepter hätten nun CDU und FDP an sich reißen können indem sie einwilligen, sich konstruktiv an der Gestaltung des Landes zu beteiligen. Die Sympathiepunkte hätten reichen können, um das Dasein in der Opposition nach dem Scheitern der Minderheitsregierung (falls es soweit kommt) zu beenden. Auch Schwarz-Gelb in Berlin hätte endlich einmal wieder punkten können. Mit verbalen faulen Eiern um sich zu werfen, bringt dagegen allerdings herzlich wenig.
Die zwei Monate nach der Landtagswahl waren ein stetiges Auf und Ab. Ob sich das nun im Landtag ändern wird, hängt womöglich mehr von den Wahlverlierern ab als von den Gewinnern. Und das ist wiederum davon abhängig in wie weit sich CDU und FDP in ihrer Trotzhaltung verschanzen. Darauf haben die Wähler leider keinen Einfluss mehr.

Off topic: Persönlichkeitsanforderungen an moderne Führung

Die neuen Herausforderungen
Anforderungen an die Persönlichkeit gehen stets einher mit den Vorstellungen derer, die diese Anforderungen stellen. Dies gilt auch für moderne Führung. Demnach ist es immer eine Reflektion der eigenen Ansichten auf andere Personen. Die eigenen Ansichten hingegen sind auch meist durch die Außenwelt geprägt oder gar entstanden. Dazu kann auch die Führung an sich dienen. Folglich sind diese gestellten Anforderungen ein Abgleichen der persönlichen Vorstellungen mit dem Verhalten Dritter.
Diese Vorstellungen passen sich jeweils den kulturellen und historischen Kontexten an. Es ist festzustellen, dass Vorgesetzte mitunter nicht mehr als unantastbar angesehen werden und die Meinungen über die Fähigkeiten dieser relativ präzise in den Köpfen verfestigt sind. Diese Ideale stellen mitnichten immer die Realität dar. So wird der Chef heutzutage gerne nicht mehr als Alleskönner gesehen, sondern als Strippenzieher. Dieser ist jedoch vor die Aufgabe gestellt, nicht nur den Anforderungen der Mitarbeiter gerecht zu werden. Die diesbezüglich relevanten Interessengruppen (sogenannte Stakeholder) stellen heutzutage mehr denn je Forderungen an die Führung. Diese Forderungen können und sind des Öfteren konträr. So verlangen zum Beispiel die Mitarbeiter, dass überschüssige Einnahmen an die Belegschaft ausgezahlt werden, während die Anteilseigner (sofern nicht zu der ersten Interessengruppe dazugehörend) fordern, dass eben solche als Dividendenzahlungen ausgeschüttet werden.
Somit muss die Führung im modernen Unternehmen in der Lage sein, die verschiedenen Interessen der Stakeholder zu balancieren und überzeugend kommunizieren. Insbesondere in der Wirtschaftskrise hat sich bewiesen, dass die Rettung des Unternehmens nicht unbedingt mit der Rettung von Arbeitsplätzen in Verbindung zu sehen ist. Erneut treffen die Interessen der Arbeitnehmer auf die der Anteilseigner. In seiner Funktion ist der Geschäftführer demnach auch ein Mediator, muss seine Entscheidungen durchsetzen können, erkennen lassen, in welche Richtung er oder sie das Unternehmen steuert und selbst als Vorbild vorangehen indem er oder sie gewissenhaft mit der auferlegten Verantwortung umgeht.
Darüber hinaus werden auch durch die Außenwelt Anforderungen an das Management gestellt. Kein anderer wusste dies so gut zu verstehen wie der Managementguru Peter F. Drucker. Der gebürtige Österreicher hat die neuen Herausforderungen an die Führung bereits zum Ende des 20. Jahrhunderts treffend beschrieben. Der Wandel hin zu Dienstleistungen und somit zu Wissen als Ressource verlangt der Führung ab, ihre Mitarbeiter zu fördern und dem Unternehmen das Know-How nutzbar zu machen. Die Fähigkeit, Menschen zu motivieren und an sich zu binden ist dabei gefragt, denn nichts wird Menschen davon abhalten, mit ihrer Ressource zu einem anderen Unternehmen zu gehen.
Weiterhin identifizierte Drucker, dass der demographische Wandel, die Änderung der technischen und elektronischen Daten verarbeitenden Infrastrukturen und die Globalisierung der Führungsriege die Anpassung der persönlichen Eigenschaften abverlangt. Dazu gehören mitunter wesentlich stärker ausgeprägte soziale Kompetenzen sowohl als auch die Fähigkeit, bedingt durch die Verschmelzung der Absatzmärkte, immer komplexere Sachverhalte zu verstehen und entsprechend zu reagieren.

Führung im Wandel der Zeit
Dass sich die oben beschriebenen Vorstellungen dabei wandeln und den jeweiligen Bedingungen anpassen, führt damit auch zu sich stetig ändernden Anforderungen an die Führung. Dieser Prozess hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges beschleunigt. Seitdem sich die Nationen der Welt immerwährend entmilitarisieren, nimmt auch der autoritäre Führungsstil in den Unternehmen ab. Dabei ist ein Engagement hin zu mehr Demokratie und Beteilung, auch in den unteren Führungsebenen zu beobachten. Mit dieser Änderung geht einher, dass Charaktereigenschaften wie unter anderem Empathie, Kommunikationsstärke und Fairness in den Vordergrund treten. Ebenso ist die Fähigkeit, sich in die neu aufgetretene Interessensgruppen hinein versetzen zu können entscheidend, um ein Unternehmen erfolgreich zu manövrieren.
Damit hängt zusammen, dass das Unternehmen als solches auch einen ethisch korrekten Anstrich benötigt um weiterhin in der Gunst der Kunden bestehen zu können. Dem Management wird abverlangt, der Organisation einen Kokon, bestehend aus sogenannten Sustainability Management, Corporate Governance, Minderheitenförderung, sozialem Engagement und dergleichen, zu stricken.
Entscheidend kommt dabei zum Tragen, dass Unternehmen als sich selbst repräsentierende Einheiten wahrgenommen werden, die auch ökologisches Gewissen haben müssen. Die Zeiten, als Organisationen hauptsächlich durch deren Management verkörpert wurden, wie beispielsweise durch Henry Ford oder Werner von Siemens gehören der Vergangenheit an. Machthungrige und egozentrische Persönlichkeiten sind folglich ebenso passé, wie nach einer Person ausgerichtete Organisationsstrukturen.
Die Konsequenz dessen ist auch, dass das Management ersetzbar geworden ist. Zum einen ist dadurch zu erklären, warum Führung sich so stark an den Interessen der Stakeholder orientiert, zum anderen bewirkt dies zudem, dass Persönlichkeitsanforderungen an moderne Führung durch Flexibilität und der Fähigkeit Entscheidungen nach rationalen und ökonomischen Gesichtspunkten zu treffen, geprägt sind. Moderne Führung heißt somit, Interessen balancieren zu können und in der Lage zu sein, dem Unternehmen ein reputabel positives Image zu verleihen.

Samstag, 10. Juli 2010

10.01.0001 A.W. – 10 Tage nach der Wahl von Wulff bleibt die Koalition auf Konfrontationskurs

Die Wahl des Bundespräsidenten Christian Wulff am 30. Juni war eine Farce an sich. Die Koalition hat sich wie zu erwarten uneinig und zersplittert gezeigt, auch innerhalb der CDU selbst. Und Merkel hat noch ein weiteres Stück Führungsstärke und Beliebtheit abtreten müssen. Der Opposition hat's gefreut, nur konnte sie aus dieser Schwäche wiederum keine Stärke für sich ziehen. Und all diejenigen, die gehofft haben, dass die Koalition sich nun endlich noch einmal vor der Sommerpause zusammenreißt, ihren Zwist vergisst und einen Neustart wagt, warten bis jetzt auf ein entsprechendes Zeichen. Es wäre zu schön, hätten Merkel, Westerwelle und Seehofer die Wahl als das wahrgenommen, was es war: ein Alarmsignal. Und zwar dafür, dass auch innerhalb der eigenen Reihen die Überzeugung der Regierung zu folgen flöten geht. Sollte das soweit gehen, dass im Plenarsaal entgegen dem Fraktionszwang eine unübersehbare Anzahl der Abgeordneten gegen einen Gesetzesentwurf der Regierung stimmt oder sich enthält, ja dann sind wir wirklich bei der Regierungsunfähigkeit angelangt, wie es die meisten bereits jetzt schon empfinden.
Und es gibt unheimlich viele, auch kontroverse Themen, wo solche Abgeordneten die Gelegenheit haben werden, zu demonstrieren, dass sie nicht mehr auf Linie mit der Partei sind – alle Machtwörter oder Tipps zum Führungsstil hin oder her. Dass diese ohnehin so schnell verdunsten, wie das Wasser im Rhein, liegt nicht unmittelbar an den momentanen Temperaturen.
Die Anzahl der schwelenden Konflikte ist fast unüberschaubar. Die Gesundheitsreform von Young Star Rösler wurde von CSU zerfetzt und ist eine Enttäuschung auf allen Seiten. Fast schlimmer ist jedoch, dass sie den Bürgern als vermeidlicher Erfolg verkauft wird. Das elektronische Entgeltnachweis-Verfahren, auch ELENA genannt, ist genauso umstritten und von der FDP missbilligt, wie die Rufe nach Steuererleichterungen bei Brüderle. Auch die Kürzung der Solarförderungen und die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen bescheren der Kanzlerin ausreichend Möglichkeiten, ihre Führungsqualitäten zu beweisen. Dass ihr diese auch innerhalb der Partei abgesprochen werden spricht auch für sich.
Weiterhin hätten wir da das Sparpaket und den EU-Beitritt der Türkei als Knackpunkte im Angebot. Vielleicht hilft es, zu den im Koalitionsvertrag vereinbarten Grundsätzen zu stehen und diese als Regierung einheitlich zu vertreten. Wahrscheinlich nicht zu guter Letzt, aber ausreichend an dieser Stelle: die AKW-Laufzeitverlängerung, die so viele verschiedene Kontroversen hervorruft, wie es Unterschiede bei der Sicherheit der AKWs gibt und die Bundeswehrreform. Ein Minister schafft es hierbei, die gesamte schwarz-gelbe Koalition durcheinander zu bringen. Dabei wissen die meisten, wirkliche Alternativen gibt es nicht. Nur sind viele Parteimitglieder unterschiedlichster Couleur über den forschen Tatendrang des Bayern erschreckt.
Die Baustellen sind also groß und vielzählig. Wenn sich jeder auf die Expertise seines Ministerium konzentrieren würde und nicht zu jedem Thema seinen Senf dazugäbe, weil die Profilierungssucht gradewegs zur Krankheit wird, wäre der Regierung schon geholfen, einmal das zu tun, für das sie gewählt wurde: regieren!
Mit den Streitigkeiten sind nicht nur keine Fortschritte zu erzielen, sondern sie verschwenden auch vier Jahre der Wähler und des Landes. Eine zweite Chance zum Zusammenraffen wie die Wahl des Bundespräsidenten wird es vorerst nicht geben. Somit bleibt zu hoffen, dass das Kabinett über die Sommerpause vergisst, worüber es sich permanent streitet und anfängt, mit Konsens zu regieren.

Dienstag, 6. Juli 2010

Blauer Dunst spaltet die Nation – Das bayrische Rauchverbot verleitet zu abstrusen Argumentationen

Nein, dieses Mal ist es nicht die schwarz-gelbe Koalition, die einmal mehr die Gemüter erhitzt und die Deutschen in zwei Lager trennen lässt. Dieses Mal entbrannte die Diskussion um ein Volksentscheid in Bayern, das nun endlich Schluss macht mit den unzähligen Ausnahmeregeln des Nichtrauchergesetzes. Die CSU gibt der erfolgreichen Bürgerinitiative „Bayern sagt NEIN!“ kleinlaut Recht und ist überraschend doch für den Schutz seiner Bürger. Dabei sind Seehofer und Co., die angeblich das beste Gespür für die Belange des Volkes haben, erst Schuld daran, dass es zum Plebiszit kam. Wären sie dem Drängen der Gastronomie mit fragwürdigen Argumenten nicht nachgekommen, hätten die Bayern sie nicht eines besseren belehren müssen.
Und damit diskutiert Deutschland wieder, ob ein bundesweit striktes und einheitliches Rauchverbot Sinn macht. Auch die Frage nach direkter Demokratie wird heftig gestellt und verteidigt, auch als Nachwehen der Wahl des Bundespräsidenten. Dass sich daran die Geister scheiden ist selbstverständlich und dient dem öffentlichen Diskurs über die politisches Gestaltung dieses Landes. Dass sich dabei jedoch beide Fronten mitunter mit fragwürdigen Argumenten bekämpfen ist der Sache hingegen weniger dienlich.
In der Financial Times Deutschland unterstellt Martin Reim zum Beispiel denjenigen, die am Sonntag für die Initiative gestimmt haben Menschenfeindlichkeit, weil sie den Rauchern ihre persönliche Freiheit aberkennen. Dabei hat das Rauchen in geschlossenen Räumen weniger mit der Entfaltung der Freiheit des Einzelnen zu tun, als mit der Einschränkung der Freiheit mehrerer. Der Journalist geht gar soweit, den Nichtrauchern vorzuwerfen, Behinderte bald aus ihrem Blickfeld verbannen zu wollen. Weniger irrational kann die Diskussion nicht geführt werden. Keiner der Ja-Sager hat über Raucher als Menschen geurteilt, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht ungeschützt dem schädlichen Rauch ausgesetzt sein möchten. Und die Konsequenz, dass Nichtraucher dann eben solche Lokalitäten meiden sollten, macht bei durchschnittlich 30% Raucheranteil auch für Gaststättenbetreiber wenig Sinn.
Auf der anderen Seite wird jedoch auch gerne für sich beansprucht, dass man Süchtige zu ihrem Glück zwingen muss. Zivilcourage sozusagen. Auch das geht zu weit. Denn jeder ist immer noch für sich selbstverantwortlich und hat das Recht auf freie Entfaltung. Zu behaupten, jemand anderes könne eher über das Glück seiner Mitmenschen entscheiden ist anmaßend. Hier wird oft übersehen, dass solche Nichtraucher schlussendlich immer im eigenen Interesse handeln und nicht zum Wohle der Raucher. Verständlich, denn gesundheitliche Risiken bestehen durchaus und wer riecht schon gerne wie ein Aschenbecher wenn er nach Hause kommt.
Es ist wieder einmal schwer, die Grenze zu ziehen. Wesentlich schwerer ist es jedoch, die wahren Argumente für das zu finden, was die Mehrheit der Deutschen ohnehin für richtig hält: kein Rauch in geschlossenen Räumen. Dabei wäre es durchaus in Ordnung, einmal nach Gefühl zu entscheiden und dies auch damit zu begründen. Denn wie der bayrische Volksentscheid beweist, fühlt sich die Mehrheit im blauen Dunst unwohl. Und das ist auch das Einzige, was damit bewiesen wurde.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Es ist ein Wulff – Wenn eine Wahl wichtiger wird als das Ergebnis

Alle guten Dinge sind hoffentlich wirklich drei. Denn so viele Wahlgänge waren nötig, um auch die letzten Zweifler an den schwarz-gelben Kandidaten auf Fraktionslinie zu bringen.
Zweimalig wurde Christian Wulff aus seinem Lager abgewatscht. Denn obwohl CDU/CSU und FDP über die absolute Mehrheit in der Bundesversammlung verfügen, konnten oder wollten sich nicht alle Delegierten dazu aufraffen, sich dem Fraktionszwang unterzuordnen. Fraglich ist nur, warum sie sich sträubten. Die FDP verkündete lauthals, dass ihre Reihen geschlossen sind. Wollten also die Schwarzen der Kanzlerin eins auswischen? Oder waren sie tatsächlich der Ansicht, dass Gauck der geeignetere Kandidat ist?
Letztlich lassen sich diese Fragen nicht klären. Doch wenn die Abtrünnigen wirklich an ihre Auffassung des besseren Kandidaten geglaubt hätten, wären sie wohl auch beim dritten Wahlgang nicht eingeknickt. So oder so ein Denkzettel für die Koalition. Gründe dafür, auch in den eigenen Reihen, gäbe es zu genüge.
Aber auch die anderen Parteien haben nicht die Wahl genutzt, um einen Kandidaten ihrer Überzeugung im Bundespräsidentenamt zu installieren, sondern um eine Show zu veranstalten. Warum sonst sollte die rot-grüne Opposition einen Kandidaten nominieren, der eher dem bürgerlichen Lager zuzuordnen ist und einst Favorit der CSU war? Ein überparteilicher Kandidat, zweifelsohne. Und dennoch dreht es sich lediglich um ein rein repräsentatives Amt – Parteizugehörigkeit ist dem Inhalt eindeutig unterzuordnen. Zusätzlich sollte ein Bundespräsident auch jemand sein, mit dem sich das Volk identifizieren kann und der Berlin ab und an Contra bietet. Ein Präsident aus der Parteischmiede ist hingegen ein machtpolitisches Instrument.
Auch die Linke konnte sich einmal behaupten. Dass ihre Kandidatin Jochimsen keine Chance hatte, wohl auch weil sie ihrer Partei zu ähnlich ist, war von Anbeginn offensichtlich. Worum es der Linken letztendlich ging, war das Gefühl, endlich einmal gebraucht zu werden und nicht bloß Stimmengeber zu sein. Die Opposition hat dies mit ihrem Gebaren und Stimmengefeilsche reichlich befeuert. Im nordrhein-westfälischen Landtag hat sich die Minderheitsregierung von der Linken befreit und ihr ein Dasein als fünftes Rad beschert. Je nach Gesetzesvorhaben der Landesregierung, ist sie nun lediglich zur Stimmenabgabe aufgerufen. Für die Regierung, versteht sich. Also konnte die Linke nun einmal die Retourkutsche fahren. Dass sie dabei der Bundesregierung und Opposition in den Karren fahren konnte, kam ihr dabei sehr gelegen.
Somit wird nur nicht im Schloss Bellevue eine Kinderspielecke eingerichtet, sondern der ganze Reichstag war gestern ein ganzer Spielplatz. Jede Partei hat am Spielzeug Bundespräsident gezerrt und wollte nicht nachgeben. Das eigentliche Ziel, für Deutschland einen Bundespräsidenten zu finden der für das gesamte Land spricht, ist klar verfehlt und war sogar nie als solches erkennbar. Wenn die Hälfte des Landes nicht zuhört, wenn der Präsident etwas zu sagen hat oder er gar von der Opposition angegriffen wird, ja dann hat Köhler in der Tat Recht, als er meinte, der nötige Respekt vor dessen Amt ging verloren. Die machtpolitischen Spielereien der Parteien hatten nur die Absicht, die Stärke der Regierung, bzw. ihre Schwäche zu demonstrieren.
Wulff, Gauck und Co. waren damit nur das Mittel zum Zweck. Und obwohl alle Seiten vorgaben Grund zum Feiern zu haben, ist niemand als Gewinner aus der Schlacht gegangen. Die Koalition ist nun geschwächt und hat sich auch innerlich als zersplittert entblößt. Dass es aber Querschläger unter ihnen gibt, ist kein Geheimnis, besonders bei dem Führungsstil der Kanzlerin. Auch die Opposition ist geschwächt. Zwar wollte sie beweisen, dass sie in der Lage ist, die Regierung zu schwächen, aber insgeheim sollte Gauck eben auch als Gewinner aus der Wahl hervorgehen.
Somit war die Wahl für alle Seiten ein Ringen um Macht und parteipolitischen Interessen. Wer jetzt daraus hervorging, scheint nachrangig zu sein. Die Schlacht ist geschlagen. Die Regierung hangelt sich zum nächsten Konflikt, da sie nicht weiß, wie sie diese Schwächung verdauen soll und nutzen kann. Und die Opposition wird wohl weiter Angriffspunkte suchen und auch finden. Das einzig Neue ist der Umzug von Wulff nach Potsdam. Ob er es schafft, sich vom Spielzeug zum Spielmacher zu entwickeln wird sich zeigen. Die Regierung wird er auf alle Fälle überleben.