Donnerstag, 17. Juni 2010

Endlich Sommerpause – Warum die parlamentarischen Ferien gut sind

Bald ist es endlich soweit. Ab dem 12. Juli wird der Bundestag für gute 60 Tage keine Sitzungen mehr abhalten. In der Sommerpause können die Abgeordneten mit ihren Kindern die Schulferien verbringen und sich einmal ganz von allen Reibereien im Parlament erholen. Und das ist auch gut.
Nicht nur die Parlamentarier brauchen nämlich eine Auszeit, sondern auch deren Wähler. Das politische Gerangel und Gezerre stößt mittlerweile auf Unverständnis in so gut wie allen gesellschaftlichen Schichten und der Wunsch nach Abstrafung der Regierung wird unüberhörbar lauter. Die Scharmützel der Koalitionsparteien bringen unser Land nicht voran, höchstens erweitern sie den Wortschatz um politische Faux Pas. Mittlerweile bewegt sich nichts mehr. Sämtliche Entscheidungen werden kaputt debattiert und aufgeschoben. In den Jahren mit einer konstruktiven Regierungsführung waren die Parteien üblicherweise darum bemüht, Gesetzesinitiativen noch vor der Sommerpause durch das Parlament zu bringen. Schwarz-Gelb bildet nun eine Ausnahme. AKW-Laufzeitverlängerung, Debatte um die Wehrpflicht, Kopfpauschale… alle Kontroversen sollen erst nach einer Erfrischungskur angegangen werden, ganz egal, ob es mit der ursprünglichen Planung kollidiert (im Herbst sollte bereits das erste Atomkraftwerk vom Netz gehen). 2009 hat die Große Koalition sogar die Sommerpause ausgesetzt weil die Wirtschaftkrise und der Wahlkampf politischen Tatendrang verlangten. Und dennoch sind sich wohl alle einig: wenn nach der Pause endlich vernünftig angepackt wird, sollen die Projekte ruhig warten.
Begründet wird der Stillstand vornehmlich mit der Wahl des Köhler-Nachfolgers, dem Chaos bei der Regierungsbildung in NRW und selbstverständlich damit, dass Gutachten zu jedwedem Thema noch nicht abgeschlossen sind. Dass viele der anstehenden Projekte aber nicht direkt damit in Verbindung zu bringen sind, wird gerne verschwiegen. Dabei gibt es durchaus Tatendrang unter den Schwarz-Gelben. Ursula von der Leyen hält die Fahne ganz nach oben, anscheinend, um sich vom Verdruss der entzogenen Bundespräsidentenkandidatur abzulenken. Auch andere Kabinettsmitglieder sehen die verordneten Ruhetage als Nichterfüllung des Wählerauftrags. Ändern wird dies wohl nichts.
Einmal mehr werden Tageszeitungen und Nachrichtensendungen in ein Themenloch stürzen und es hoffentlich mit sinnvollen Inhalten füllen. Keine Gurken und Wildsäue mehr. Es kann kaum schöner sein.
Aber auch den Abgeordneten sei die Pause gegönnt. Sie können sich einmal emotional beruhigen, Druck abbauen und sich in der Toskana oder auf Mallorca auf das besinnen, was eine Koalition ausmacht: Verhandlungsgeschick und Kompromissbereitschaft. Auf alle Fälle sollten sie nicht auf die Idee kommen, gemeinsam in ein Jugendcamp zu fahren. Die paar Euro mehr für einen getrennten Urlaub werden das Sparpaket auch nicht scheitern lassen. Auch innerparteilich sollten die MdBs etwas Abstand gewinnen. Das Gefeilsche um den Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten innerhalb der FDP und CDU offenbart die inneren Spannungen. Lagerkoller bereits nach einem Jahr?
Es scheint so. Einzelne Personen heben sich dabei ganz besonders hervor. Seehofer und Pofalla heizen die Stimmung kräftig an und fast wünscht man sich den mittlerweile handzahmen Westerwelle zurück. Dessen Kommentare wurden wenigstens von niemandem Ernst genommen. Oder ein Sarrazin. Über ihn konnte man noch lachen, wenngleich der Inhalt seiner Äußerung eher zum weinen war.
Alle sind also reif für die Insel. Erholt kann die Regierung sich dann an einen gigantischen Berg von Arbeit machen und man hofft, dass diese Arbeit von persönlichen Quälereien ablenkt. Themen gibt es zumindest zu genüge, so dass auch niemand die Gelegenheit haben sollte, sich auf einen anderen einzuschießen, vorausgesetzt, dass sich jeder auf die Regierungsarbeit konzentriert und nicht so tut, als sei man in der Opposition. Jedes Ministerium darf sich auf der eigenen Baustelle austoben: Bildung an der 10%-Marke (Ausgaben für Bildung gemessen am BIP), Verteidigung an der Bundeswehrreform, Finanzen am Defizitabbau, Umwelt an der Vorbereitung für den Klimagipfel in Mexiko und so weiter.
Bereits heute sind dies dringliche Themen. Doch es bleibt zu hoffen, dass eine frische Sommerbrise die Köpfe durchlüftet und die Gemüter beruhigt. Es ist seltsam, wenn die Hoffnung, dass sich ein Politikwechsel vollzieht, darauf beruht, dass die Politik einmal nichts tut. Wenn das nicht hilft, sollte sich die Regierung wohl für den Rest ihrer Legislaturperiode Urlaub nehmen. Politisch gesehen kein Unterschied und die Leute wissen, dass sie auch in den Winterferien kein politisches Sommerloch zu befürchten brauchen.

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