Dienstag, 17. August 2010

Die Finanzkrise ist zur Optimismuskrise geworden


Warum die Krise noch nicht überstanden ist

Das waren noch Zeiten, als Politiker aller Couleur rund um den Globus der Krisenstimmung verfallen waren, die die Märkte nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers erfasst hatte. Die Forderungen nach einer Regulierung der Finanzmärkte, also der Behebung der Krisenursachen wurden unisono in alle Gipfel getragen. Heraus kam wenig. Dies lag wohl weniger an dem mangelnden diplomatischen Geschick der Teilnehmer, als eher an der unterschiedlichen Intensität mit der die Krise die Länder getroffen hat und damit dem Drang zum Handeln. Mittlerweile sind aber selbst die Hysteriker verstummt. Das große Krisenbekämpfen ist out. Momentan ist das Kurieren der Symptome in, wie zum Beispiel die horrenden Staatsverschuldungen einiger Nationen.
Doch erinnern wie uns kurz, warum es zur eigentlichen Krise, der Subprime-Krise kam:
Banken und Versicherungen haben von Anleiheemittenten (insofern sie selbst keine waren) Papiere gekauft, die trotz ihrer mathematischen Schönheit inhaltlich eher hässlich waren. Diese Papiere, ABS und MBS größtenteils, sind nicht verschwunden. Sie sind weiterhin in den Bilanzen der Banken, teilweise abgeschrieben, teilweise beim Staat zwischengeparkt oder inaktiviert. Die Gründe, warum die amerikanischen Häuslebauer ihre Häuserkredite nicht mehr bedienen konnten waren steigende Arbeitslosigkeit und die verlorene Kaufkraft. Auch diese Probleme wurden bisher nicht behoben. Reihenweise Häuser mussten zwangsversteigert werden und der muntere Preisanstieg amerikanischer Immobilien legte den Rückwärtsgang ein. Hier ist bis dato auch noch kein wesentlicher Gegentrend festzustellen, die Preise fallen weiter und eine Gegenfinanzierung ist für die meisten Kreditnehmer nicht möglich. Entgegen dem hässlichen Inhalt haben die Banken trotzdem kräftig zugegriffen und die Securities ihren Anlegern untergejubelt. Zum einen lief das Geschäft so gut, weil den Banken nicht abverlangte wurde, den Inhalt der jeweiligen Produkte transparent offenzulegen. Auf globaler Ebene kam es auch hier noch zu keiner Abhilfe.
Auch die so häufig verteufelte Gier nach schnellen Profiten mag den einen oder anderen Banker dazu bewogen haben, es bei der Beschreibung der Anleihe für Anleger mit dem Kleingedruckten nicht ganz so ernst zu nehmen. Maßlosen Boniorgien konnte teilweise ein Riegel vorgeschoben werden, wohl aber eher, weil der Staat nun oft mit im Aufsichtsrat saß und die Bevölkerung die Moralkeule geschwungen hat.
Grund für einen so ausgeprägten Drang zur Zockerei sind die laschen Eigenkaptitalvorschriften. Weltweit mussten Banken nur einen winzigen Bruchteil ihrer Aktiva mit Rücklagen absichern. Für das bevorstehende Basel-III Abkommen hat die Bankenlobby bis jetzt erfolgreich geschafft, eine Verschärfung der Eingenkapitalregeln zu verhindern. Im Gegenzug dazu, hat die US-amerikanische Regierung den Banken bereits verboten, in großem Umfang Eigenhandel zu betreiben. Dass diese ihren Handel nun auf 100%-ige Tochter Hedge Fonds umlegen, deren Erlöse wiederum an die Bank zurückfließen, ist ein Zeichen für die eingeschränkte Handlungsmacht der Legislative.
Hinzu kommt auch, dass das moderne Finanzwesen weltweit miteinander verstrickt ist. Somit landeten die vergifteten Anleihen in den Bilanzen aller global agierender Banken. Die Vernetzung ist gut, da dadurch Risiken gestreut werden können und das Kapital weltweit günstig zirkuliert und die Banken und folglich die Märkte mit Liquidität versorgt werden. Leider hat es in diesem Falle dazu geführt, dass sich der Virus verteilte wie Läuse in einer Schulklasse. Bis zu diesem Zeitpunkt hat keine Bank ihr internationales Engagement heruntergefahren.
Und schlussendlich haben viele der Banken eine makroökonomisch so relevante Bedeutung erlangt, dass dem Staat nichts anderes übrig blieb, als für sie in die Bresche zu springen. Die Spirale der Staatsverschuldung nahm damit ihren Lauf. Bemühungen der Politik, die Bilanzsummen zu beschneiden fruchteten lediglich bei den Banken, die im Zuge von staatlicher Unterstützung durch die europäische Wettbewerbsbehörde dazu verpflichtet wurden. Ein globaler Lösungsansatz mutet anders an.


Nur wenige der ursächlichen Gründe für die Wirtschaftskrise wurden also angepackt. Die Politik scheut den großen Wurf, ist vor der mächtigen Finanzlobby eingeknickt und lenkt sich mit der Bekämpfung der Bekämpfung ab, also die durch die Konjunkturprogramme in die Höhe geschossene Staatsverschuldung und dem zeitgemäßen Herunterfahren der Wirtschaftshilfen.

Warum der Optimismus unbegründet ist
Dass die Konjunkturspritzen weltweit ihre gewünschte Wirkung teilweise entfaltet haben ist nicht zu bestreiten. Sicher, die Arbeitslosigkeit konnte in den USA nicht bekämpft werden, aber die Staatengemeinschaft ist einer schweren Rezession entgangen. Dies mag mitunter daran liegen, dass die Stützen für die Banken symbolischen Charakter hatten und die Realwirtschaft vor dem endgültigen Abschmieren bewahrt haben.
Der Erfolg der Konjunkturprogramme hat an den Märkten und im Besonderen in den Köpfen der Politiker eine Eigendynamik entwickelt, die dazu führte, dass man optimistisch des Optimistisch-Sein-Willens wurde.
Die Autoverkäufe zogen an, Währungen schwächten ab und beflügelten Exporte (und tun dies weiterhin), Kapital war überaus günstig zu haben und die Märkte äußerst liquide (zumindest gemessen an den Summen, die durch die Politik des billigen Geldes der Zentralbanken zur Verfügung gestellt wurden). Banken trennten sich von kranken Teilen, Investment Banken wurden Geschichte und mittlerweile jagt quer durch alle Branchen ein Rekordquartal das nächste. Und warum?
Nicht, weil die Ursachen der Krise beseitigt wurden, sondern die Politik ihren Bürgern den Optimismus eingetrichtert hat. Jede ach so geringfügige Verbesserung ging auf das Konto der sich erholenden Weltwirtschaft. Dabei sind die meisten Effekte Kunstgriffe der Statisten (besonders im Bezug auf deutsche Arbeitslosenzahlen), Einmaleffekte aus den Konjunkturprogrammen oder schlichtweg irreführende Zahlen.
Zum Beispiel das beeindruckende Wachstum des deutschen Bruttoinlandprodukts im 2. Quartal von 2,2% ist lediglich dem starken Absturz der deutschen Wirtschaft 2009 zu verdanken während dem sie um 4,7% schrumpfte. Maschinenbauer und Co. holen nur an Aufträgen auf, die sie im Krisenjahr verloren haben. Dagegen mutmaßt das Wachstum Frankreichs von 0,6% geradezu bescheiden an. Jedoch ist dessen Wirtschaft 2009 bloß um 2,2% eingebrochen. Denn Frankreich ist weniger von der konjunkturellen Entwicklung anderer Länder abhängig.
Diese Abhängigkeit Deutschlands von den Exporten wiederum lässt Reklamationen auf den Titel der Wirtschaftslokomotive Deutschland laut werden. Dabei ist es gerade diese Abhängigkeit, die Optimisten bremsen sollte.
Chinas Hunger nach Importen lässt rapide nach. Die Verkaufszahlen deutscher Autobauer sind bereits am sinken. Barack Obama musste jüngst eingestehen, dass die Gefahr einer amerikanischen Rezession noch nicht gebannt sei. Und die Hauptabnehmer deutscher Exporte im europäischen Binnenmarkt erholen sich wenn, dann nur im Nachkommastellenbereich. Deutsche Exporteure sind auf Gedeih und Verderb von der Kaufkraft ihrer Abnehmer abhängig. Das ist nichts Neues. Doch stehen die Zeichen eher auf Stagnation.
Dies hat mehrere Gründe:
• Die weltweiten Konjunkturprogramme sind ausgelaufen.
• Die Unsicherheit in den Märkten steigt, weil die Notenbanken nicht klar zu erkennen geben, wie und wann sie einen Ausstieg aus der laschen Geldpolitik vollziehen werden.
• Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Regierungen ist beschränkt, da diese von gigantischen Schuldenbergen nahezu handlungsunfähig geworden sind.
• Das Bestreben nach einer weltweit getragenen Lösung zur Bewältigung der Krise ist an nationalstaatlichen Interessen gescheitert.
• Probleme wie die amerikanische Arbeitslosigkeit oder die chinesische Immobilienblase geraten weiter in den Fokus.
• Und langsam aber stetig setzt sich die Erkenntnis durch, dass an den eigentlichen Ursachen der Krise bisher wenig behoben wurde.
Darüber hinaus hat es die bundesdeutsche Regierung verpasst, den so häufig angemahnten Leistungsbilanzüberschuss abzubauen und den Binnenkonsum zu stützen. Wieder einmal wird ein Abkühlen der globalen Wirtschaft das deutsche Wachstumswunder jäh abwürgen.

Kein Optimismus, sondern Tatendrang
Die Zuversicht ist somit unangebracht. Das Wachstum beweist sich als sehr fragil und nicht nachhaltig. Was nun erforderlich ist, sind keine frohlockenden Verkündungen über jegliche positive Meldungen, sondern die Hinterfragung derer. Die Staatsoberhäupter müssen sich auf ihr Credo aus dem G8-Gipfel von 2008 besinnen, die eigentlichen Ursachen der Finanzkrise gemeinsam zu bekämpfen. Dies erfordert eine Abstimmung auf internationaler Ebene und wird Länder wie England besonders hart treffen. Ihre Befürchtungen müssen ernst genommen und entsprechend begegnet werden. Dies wäre zum Beispiel bei einem weltweiten Verbot von ungedeckten Leerverkäufen der Fall. Da London einen der größten Händelplätze für sogenanntes Nacked Short Selling darstellt, müsste es für den entstandenen Ausfall von Gebühren entsprechend aus den Einnahmen einer weltweit eingeführten Finanztransaktionssteuer entschädigt werden. Da sich viele Transaktionen über den gesamten Globus erstrecken und die Einnahmen ohnehin globale Regelungen verlangen wäre eine zumindest zeitlich beschränkte Bevorteilung Geschädigter möglich.
Die Politik muss der Finanzlobby selbstbewusst begegnen und das tun, was notwendig ist: die Probleme bei der Wurzel packen und eine Wiederholung der Krise unmöglich machen.
Das kann nur erreicht werden, wenn global an einem Strang gezogen wird, die Märkte transparenter werden und Lösungsansätze wie Basel-III nicht von den Banken im Keim erstickt werden. Nur allein dazu hat die Politik ihr Mandat erhalten. Nicht, um optimistisch zu sein.

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