Sonntag, 10. Oktober 2010

Schwarz-Gelb köpft ihren König (und outet sich als integrationsunwillig)

Knapp 100 Tage nach der Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten scheint sich zwar die Opposition an das Staatsoberhaupt gewöhnt zu haben, die Regierung tut sich allerdings schwer damit.
Anlässlich der Feier zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung hat die Rede Wulffs in Bremen vorerst Anerkennung geerntet. Die kam aber auffallend überwiegend aus dem rot-grünem Lager. Auch muslimische Verbände und der Zentralrat der Juden fanden anerkennende Worte. Die Rede sei mutig, so dessen Generalsekretär Kramer. SPD und Grüne forderten sogar eine Gleichstellung des Islams als Religionsgemeinschaft mit den abendländischen Religionen. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime begrüßt diese Forderung. Und sie ist nicht weit hergeholt.
Muslime bilden nach den Christen (Anteil an der Bevölkerung ca. 60%) die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland (5%). Juden bilden mit einem Anteil von weniger als 1% eine der kleinsten anerkannten Religionsgemeinschaften. Und mittlerweile ist fast jedes zehnte in Deutschland geborene Kind von muslimischen Eltern. Rein quantitativ ist eine Gleichstellung also schon längst überfällig.
Es geht aber um mehr als Bevölkerungsanteile. Es geht um Ängste vor dem Fremden und der Entfremdung. Um Unwissenheit (Merkel assoziiert mit Scharia die brutale Rechtsprechung der Islamisten und sieht nicht dessen Gesamtheit einschließlich Werte und sozialer Normen, worauf selbst Gabriel, mit seinem oft unüberlegten Gepolter, hinweist) und Voreingenommenheit. Und es geht darum, der Gesellschaft Antworten zu geben. Antworten auf Fragen wie: Was ist eine deutsche Leitkultur? Integration oder Assimilation? Oder verkraftet es Deutschland sich endlich den Herausforderungen eines Einwanderungslandes zu stellen?
Auch Wulff stellt fest, dass wir uns schließlich zu einem solchen entwickelt haben. Alles andere sei eine „Lebenslüge“. Obwohl dessen Rede wenig Möglichkeiten zum Anecken bietet, hat sie das Format was einem Bundespräsidenten würdig ist.
Schwarz-Gelb sieht das offenbar anders. Ihr Präsident ist ihnen augenscheinlich zu tolerant. Und deshalb steht er unter Beschuss wie einst Horst Köhler, was letztendlich zu dessen Rücktritt führte. Lässt die Regierung nun mehr Respekt für das höchste Amt erkennen? Mitnichten.
Wenn Wulff sagt, „der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“ und ebenfalls betont, dass „Glaubens- und Gewissensfreiheit“ in Deutschland zu achten seien, wird Schwarz-Gelb nicht müde zu betonen, dass aus Religionsfreiheit nicht –gleichheit werden darf. Das Beharren auf die christlich-jüdische Tradition verweigert sich der Tatsache, dass traditionsbewusst nicht im Kontrast zu einer modernen Gesellschaft steht. Die Kirchen mussten bitterlich erfahren, was das bedeutet als sich die Gesellschaft säkularisierte. Merkel befürchtet ohne einen Widerspruch zu Wulffs Rede könnte ihre Partei das konservative Spektrum noch weiter vergraulen. Die Aufnahme Andersgläubiger in die Mitte unserer Gesellschaft bedeutet nicht die Aufgabe deutscher Werte und vor allem nicht die Verbannung des Grundgesetzes. Daran scheinen Merkel und Co. jedoch zu glauben. Und es sollte diese Glaubensfreiheit sein, die man ihnen absprechen sollte.
Denn sie verschließt die Augen vor den Tatsachen. Eine Gleichstellung als Religionsgemeinschaft würde nicht bedeuten, dass von nun an alle deutschen Frauen nur noch mit einer Burka in die Öffentlichkeit dürfen. Es würde bedeuten, dass wir unsere Mitbürger akzeptieren, anerkennen, dass auch sie eine Geschichte haben und wir auch von ihrer Kultur lernen können.
Die deutsche Leitkultur ist eine Illusion. Im alltäglichen Leben ist unsere Kultur nicht mehr von jener anderer westlicher Länder zu unterscheiden. Wenn Schwarzbrot und Talkshows, kein Tempolimit auf der Autobahn und das deutsche Reinheitsgebot unsere Leitkultur sind, dann stellt sich die Frage, warum man für solche Werte Millionen von Mitbürgern die Aufnahme in unsere Gesellschaft verweigert.
Die deutsche Leitkultur sollte vielmehr offen sein, Toleranz zeigen, denjenigen, die sich wünschen am öffentlichen Leben teilnehmen zu dürfen, die ausgestreckte Hand reichen und sich vor allem vom Bild des schächtenden, steinigenden und vollbärtigen Moslem verabschieden. Und auch ein „unverkrampfter Patriotismus“ gehört dazu, wie Christian Wulff betont. Denn nur „wer sein Land mag und achtet, kann besser auf andere zugehen“. Diesen Satz sollte auch die Regierung unterschreiben.

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