Freitag, 8. April 2011

EZB-Entscheidung ist keine Zinswende sondern ein politischer Befreiungsschlag

Die gestrige Entscheidung der Europäischen Zentralbank den Leitzins um ein Viertel Prozentpunkt von 1,0 auf 1,25 Prozent anzuheben stößt auf geteiltes Echo im Markt. Richtig freuen kann sich allerdings niemand.
Derzeit stehen sich zwei Lager gegenüber. Die einen fürchten die steigende Inflation, ausgelöst mehrheitlich durch außereuropäische Preissteigerungen bei beispielsweise Öl und Lebensmittel, und die Bildung von Blasen durch Kreditexzesse denen ein niedriger Leitzins dienlich ist.
Die andere Seite sorgt sich um die Konjunktur der sogenannten PIGS – Portugal, Irland, Griechenland und Spanien. Bis auf letzterem hänge alle am Tropf der EZB. Eine Erhöhung der Leitzinsen, also der Zinsen, die Banken an die Zentralbank für geliehene Liquidität und eben diese Staaten für die Hilfsdarlehen aus dem EFSF bezahlen, wird deren wirtschaftliche Erholung weiter erschweren und möglicherweise mitunter sogar zum Scheitern verurteilen.
Die Meinungen über den Effekt dieser Entscheidung gehen weit auseinander. Die meisten Ökonomen halten die Auswirkungen jedoch für marginal. Aus diesem Grund werden zusätzliche Anhebungen erwartet, da durch einen solchen Schritt dem primären Ziel der EZB, die Inflation zu begrenzen, womöglich wenig geholfen ist. Dies liegt mitunter auch daran, weil der hiesige Preisanstieg nicht hausgemacht ist.
Andere Wirtschaftswissenschaftler prophezeien jedoch eine ähnliche Tragweite dieser Entscheidung wie die Erhöhung 2008, welche die Krise im Euroraum drastisch verschärfte. Liquiditätsengpässe und Refinanzierungsschwierigkeiten seien vorprogrammiert.
Wahrscheinlich haben beide Lager recht. Die Krise in den Peripherie-Staaten wird sich weiter verschärfen und die Gefahr einer Überhitzung der Wirtschaft der Kernländer konnte gemindert werden. Nur sind diese Effekte äußerst gering und werden durch andere Ereignisse aufgefangen oder gemildert werden. Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank kann somit kein Umdenken in ihrer Geldpolitik bedeuten.
Der Bank geht es vielmehr darum, einen politischen Befreiungsschlag zu exerzieren. Durch die Finanzkrise ist die EZB zu einem Retter in der Not geworden. Viele Euro-Staaten haben die Mechanismen der EZB ausgenutzt um eine Verschlimmerung der Krise abzuwenden, gleichzeitig aber auch nicht selbst unbeliebte wirtschaftliche Reformen einleiten zu müssen, die einen drohenden Staatsbankrott hätten abwenden können.
Lange hat sich die Zentralbank dem politischen Einfluss verwehren können. Als Vorbild galt die Bundesbank. Während der Krise ist der Druck der Regierungen auf Trichet jedoch so groß geworden, dass das Unerwünschte unvermeidlich wurde. Sicherlich kann es nicht im Interesse der EZB liegen, den Euro-Raum auseinanderbrechen zu lassen. Die Einflussnahme war allerdings offensichtlich.
Den Euro-Staaten blieb so mehr Zeit, den heimischen Konsum wieder anzukurbeln anstatt durch Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen einen möglichen aufkeimenden Aufschwung im Kern zu ersticken. Den Staaten unter dem EFSF-Rettungsschirm bleibt nun auch das nicht erspart. Und die übrigen Länder konnten sich, ohne großen Verzicht üben zu müssen, auf eine wieder anziehenden Weltkonjunktur vorbereiten.
Damit soll nun vorerst Schluss sein. Die Entscheidung der EZB wird den Markt nicht aus den Fugen geraten lassen. Aber sie demonstriert mit einem Paukenschlag, dass die Euro-Staaten von jetzt an wieder selbst für ihre Haushalte verantwortlich sind und sich die EZB erneut ihrem eigentlichen Ziel widmet: Preisstabilität. Vielleicht ist das endlich der Anlass für ernsthafte und tiefgreifende wirtschaftliche Reformen, in allen Euro-Staaten.

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