Sonntag, 16. Oktober 2011

Obama spielt die Angstkarte - Iranischer Mordkomplott dient dem Wahlkampf

Die Verwirrungen um den Mordkomplott an den saudischen Botschafter in den USA könnten größer nicht sein. Der Iraner Manssor Arbabsiar, ein hoffnungslos erfolgloser Autoverkäufer in Texas, soll auf Kommando der berüchtigten Kuds-Brigaden mexikanische Drogenbarone beauftragt haben, den Botschafter Adel A. Al-Jubeir umzubringen. Glücklicherweise ist er dabei den Fahndern der amerikanischen Drogenpolizei ins Netz gegangen. Prompt war die Rede von Staatsterrorismus, denn kein anderer als die iranische Führung selbst soll den Auftrag erteilt haben. Die ist sichtlich darum bemüht jegliche Zusammenhänge abzustreiten und den Spieß umzudrehen. Der Einschätzung der amerikanischen Regierung schließen sich jedoch anerkannte Kenner der iranischen Politik nicht an. Denn auffallend sind die Ungereimtheiten der Tat. Sie sei viel zu stümperhaft geplant und durchgeführt worden. Auch der Mittelsmann sei eine denkbar falsche Wahl gewesen. Und einleuchtende Motive fehlen ebenso. Die Granden der iranischen Revolution, allen voran Chamenei, sind in der Vergangenheit nicht damit aufgefallen Außenpolitik auf den Boden anderer Nationen zu betreiben.
Drum gibt es mittlerweile so mancherlei Theorien, die versuchen das Unerklärliche zu erklären. Ziel der Mission war anscheinend nicht die Tötung des saudischen Botschafters, zumindest nicht unmittelbar, sondern die Schwächung Ahmadinedschads innerhalbd des Irans. So vermuten es so manche Experten. Der Revolutionsführer Chomenei ist seit der zweiten Amtszeit von Präsident Ahmadinedschad, seinem eigentlichen Ziehsohn, äußerst verärgert über seine Regierungsarbeit. Dieser hatte unter anderem versucht, das Kabinett umzubauen und einiger der Minister loszuwerden, die unter Chomeneis Gnade standen. Es kam, für iranischer Verhältnisse, offen zum Bruch. Und nun, so eine mögliche Erklärung, soll der Präsident als unhaltbar denunziert werden.
Denkbar wäre aber auch der umgekehrte Weg. Ahmadinedschad will Chomenei absäbeln. Es entwickelt sich somit zum Selbstläufer und entzieht sich amerikanischer Außenpolitik. Und doch trommelt Barack Obama lautstark die Terrorpauken. Ein Angriff auf Vertreter ausländischer Staaten, noch dazu dem wichtigsten Verbündeten in der Golfregion, auf amerikanischem Boden sei eine Kriegserklärung. Auffallend schnell und direkt waren die Täter öffentlich an den Pranger gestellt und es wurde mit Konsequenzen bis zum allerletzten Mittel gedroht. Zu schnell. Und so drängt sich einem der Schluss auf, Obama will seinem Image als Vollstrecker der amerikanischen Sache gerecht werden, das ihm seit der Exekution von Osama bin Laden anhaftet. Denn es brachte ihm wertvollen Zuspruch vom Wahlvolk, etwas, das ihm nach seiner Yes, we can-Kampagne so schnell abhanden kam wie die politische Durchsetzungskraft in Senat und Kongress.
Die Demokraten haben sich, im Gegenteil zu den Republikaner, sehr bedeckt im Vorwahlkampf gehalten. Denn zum einen fehlen große Erfolge auf die verwiesen werden kann. Und zum anderen verspricht die Zukunft nichts Gutes. Die amerikanische Politik ist momentan ein Fiasko, überparteilicher Konsens Fehlanzeige, eine fortschrittliche Vision nicht vorhanden, die politische Agenda ein Flickenteppich. Die Demokraten sind schlau genug, die Misserfolge nicht Obama in die Schuhe zu schieben und einen neuen Kandidaten zu suchen. Das wäre unglaubwürdig. Doch der Fall um Arbabsiar scheint eine willkommende Gelegenheit endlich in den Wahlkampf einzusteigen und sich auf ein Thema einzuschießen, mit dem auch schon George W. Bush Erfolg hatte: die Angst vor dem unsichtbaren Feind und Terrorismus auf amerikanischem Boden.
Und die Amerikaner zeigen sich für solche Themen überaus dankbar. Sie lassen sich gerne von einer diffusen Bedrohung einschüchtern und verängstigen. Sie brauchen einen starken Mann, der kompromisslos für ihre Sicherheit bürgt. Und sie sehnen sich nach einem Beschützer der auch vor einem Angriff auf den Iran nicht zurückschreckt. Mit Krieg lassen sich die Parteigrenzen überwinden. Mit Terror kann der Stillstand beendet werden. Und mit ängstlichen Bürgern kann man leicht Wahlkampf treiben. Darauf setzt Obama jetzt. Denn andere Themen sind schwerlich geeignet um die Mehrzahl der Stimmen zu bekommen.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auf dem Zwischenfall Konsequenzen folgen werden. Weitere Sanktionen gegen den Iran sind bereits beschlossen. Ein militärisches Einschreiten ist zwar gänzlich abwegig, würde aber anbetracht der Vergangenheit nicht überraschen.
Obama hat seinen Zauber verloren. Die Jungen, Einwanderer, von der Finanzkrise gebeutelte, Umweltaktivisten, Senioren, Veteranen, sie alle mussten mit ansehen, wie ihre Hoffnungen in den Mühlen des Kongresses zerrieben wurden. Doch der Patriotismus eint alle Amerikaner und so kann Obama darauf setzen, sie mittels angsteinflößender Bedrohungen wieder einzufangen. Es ist schade, dass er sich somit in die Reihe der Präsidenten fügt, die sich über die Gefährdung der amerikanischen Souveränität positionieren anstatt weiterhin erbittert für seine Wahlversprechen zu kämpfen und sie mehr denn je durchzusetzen zu versuchen. Andererseits veranlassen ihn die Mehrheitsverhältnisse in Senat und Kongress auch, sein Unvermögen sich nicht durchsetzen zu können, einzugestehen anstatt weiterhin auf Luftschlösser zu setzen.
Die Aufklärung des Mordkomplotts ist dabei nachrangig. Vielmehr war sie ein willkommener Anlass um nun auch thematisch in den Wahlkampf einzusteigen. Und desillusioniert werden Obamas Wähler erneut ihre Stimme für ihn abgeben, aus Angst vor dem Terror.

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