Sonntag, 5. Dezember 2010

US-Depeschen: WikiLeaks ist der Aufregung nicht wert, wohl aber etwas Realismus

Was regt sich die Welt über Julian Assange und seinem Weltverbesserer-Verein WikiLeaks auf! Es ist mittlerweile schon fast auffällig, wie sehr die Hysterie dem damaligen Verfolgungswahn nach Osama bin Laden gleicht. Schweden nun also im Fokus amerikanischer Anti-Terror-Politik. Oder wo auch immer sich Assange im Moment aufhält (ganz heißer Tipp: London).
Clinton tobt, Merkel beschwichtigt, Berlusconi lacht, Pakistan ist entsetzt, Putin gelassen. Keine Regierung kommt glimpflich davon. Doch deren Anführer versuchen die Bedeutung der Depeschen herunterzuspielen. Fast als Mantra. Dabei brodelt es unter der Decke der post-depeschenen diplomatischen Feinzüngigkeit gewaltig. Nicht nur die Kleinstpartei FDP ringt mit ihrem „aggressiven“ Vorsitzenden Westerwelle und versetzten Maulwurf Metzner, auch die US-Regierung bemüht sich redlich darum, die Wogen zu glätten. Sie ist sogar auffallend bemüht, das Seelenheil ihrer Verbündeten wieder zu kitten.
Dabei kann sich die gute Hillary die Arbeit geflissentlich sparen. Schließlich brachte die Veröffentlichung keinerlei Neuigkeiten zutage.
Es ist allgemein bekannt, dass Karsai nicht mehr Büttel der USA, sondern des Geldes ist. Dass Berlusconi mehr einen Weiberheld als Politiker abgibt, Putin Diplomatie am liebsten mit einer Machete betreiben würde, und Pakistan gefährlich nah dem Kriegszustand steht, nicht nur territorial. Niemand wird bezweifeln, dass Merkel bei „Deutschland sucht das Super-Talent“ von der Jury eher bemitleidet wird und Westerwelle irgendwie nicht ganz das Format eines Außenministers besitzt.
Ebenso wenig sollte überraschen, dass solche Tatsachen eben auch Gegenstand der Kommunikation zwischen Washington und den Hauptstädten ist. Und die scheinheilig amüsierte Reaktion einiger Politiker wäre wohl tatsächlich die angebrachteste. Denn in der Diplomatie, vor allem der jenseits der öffentlichen Zugänglichkeit, haben rosige Worte nichts zu suchen und ist der Umgangston seit jeher sehr direkt.
Mehr als der Inhalt, sollte doch der Umstand aufstrecken, dass tausende geheime Dokumente, die im staatseigenem Netzwerk übermittelt wurden, ohne Probleme entwendet werden konnten. Die Sicherheitslücke ist das Problem, nicht die Lücke diplomatischer Feinfühligkeit. Vielleicht wäre Assange bereit, gegen das Heilen seines Verfolgungswahns, der amerikanischen Regierung beim Stopfen dieser Lücken zu helfen. Andernfalls wird er wohl bald ein WikiLeaks des WikiLeaks fürchten müssen, die seine großzügigen Informanten offenbaren werden.

3 Kommentare:

  1. "Schließlich brachte die Veröffentlichung keinerlei Neuigkeiten zutage."

    Das sehe ich überhaupt nicht so. Wie die USA Westerwelle betrachtet oder irgendwelche Politiker von den Grünen ist zwar interessant aber nicht der Punkt der bemerkenswert ist.
    Wie die deutsche Regierung um die Häftlinge von Guantánamo geschachert hat, wie die Briten das von ihnen unterzeichnete Streubombenverbot unterlaufen, wie gefährlich Pakistan unter der Hand bewertet wird und nicht zu vergessen wiesehr die Deutsch Regierung bemüht ist einen deutschen Staatsbürger zu schützen wen die USA Druck ausübt kann man nun im Fall Khalid el-Masri nachlesen.
    Das sind einige der vielen Punkte die es wichtig machen die Informationen zugänglich zu machen.Ich bin nicht mit allem von Wikileaks einverstanden ... ich finde sie haben in der Vergangenheit zu wenig Rücksicht auf die Privatsphäre einzelner genommen , trotz alle dem finde ich das Projekt unterstützenswert da da manche "Sauerei" an das Licht gezerrt wird.

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  2. Na da habe ich wohl meinen Namen vergessen ... ich will ja nicht unhöflich sein :o)
    @Qifti

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  3. Hallo Qifti.
    Zu erst einmal vielen Dank für deinen Kommentar und zweitens, entschuldige die verspätete Reaktion.
    Du hast sicherlich recht, dass WikiLeaks eine wichtige Bedeutung bei der Verbreitung von Informationen zukommt und sie für Transparenz sorgen. Das ist nicht abzustreiten und mitnichten auch zu verteufeln.
    Peu à peu kommen nun auch Einzelheiten ans Licht, oder besser: werden durch ausgewählte Zeitungen veröffentlicht, die maßgeblich bestimmend für die Außenpolitik vieler Länder in der nächsten Zeit werden.
    Nach wie vor waren ein Großteil der Informationen bereits bekannt. Und der allgemeine Sturm in dem sich Politiker aller Couleur echauffiert haben, war nicht durch politische Einblicke in einzelne Länder ausgelöst worden, sondern eben durch die vermeidlichen realitätsnahen Beschreibungen der Charakterzüge einiger Politiker.
    Darauf fußt auch mein Blog-Eintrag.
    Sicher, die Masse der von WikiLeaks zu Tage geförderten Informationen macht es notwendig, diese scheibchenweise zu veröffentlichen. Die Gefahr besteht jedoch in der Auswahl und der Beliebigkeit. WikiLeaks hat demnach mit den gleichen journalistischen Problem zu kämpfen wie konventionelle Redaktionen.
    Die Neuigkeiten, die nun zutage gebracht werden, haben sicherlich einen höheren Informationsgehalt als die anfänglichen Veröffentlichungen. Immer noch birgt aber die Art und Weise, wie diese Informationen ans Licht gekommen sind berechtigterweise mehr Brisanz als deren Bedeutung. Und zu guter Letzt wird diese auch durch die US-Regierung erfolgreich heruntergespielt.

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