Dienstag, 16. August 2011

Die Eurobonds sollen kommen – Ein Vorschlag

Die Diskussionen um Eurobonds, also gemeinschaftlich begangene Anleihen der Eurozone, werden neuerdings hitziger. Ganz Europa ist in die Idee gemeinsamer Schulden verliebt, noch dazu mit der Mitgift niedriger Zinsen. Nur die Bundesregierung sträubt sich noch mit allen Mitteln, schließlich müssen Investoren im Moment sogar für das Halten von Bundesanleihen drauf zahlen, rechnet man die Inflation mit.
Und die Kritik ist nachvollziehbar:
a) Keine Anreize zum Sparen: Dadurch, dass sich Staaten, unabhängig ihrer individuellen wirtschaftlichen Rahmendaten zu einem Zinssatz verschulden können, der die Bonität der gesamten Eurozone widerspiegelt, müssen sie nicht für die Risiken die mit einer hohen Staatsverschuldung einhergehen, bezahlen. Dies ist üblicherweise der Fall, da Investoren das erhöhte Risiko in einem höheren Zinssatz einpreisen.
b) Geringes Kapitalpolster: Die EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) ist nicht in der Lage, sollte es zu einem Zahlungsausfall mehrerer Schuldnerstaaten gleichzeitig kommen, die Forderungen der Gläubiger zu bedienen. Mit einem finanziellen Polster von 440 Milliarden Euro und den bereits vergebenen Krediten an Griechenland und Co., ist der Spielraum äußerst gering.
c) Hohe Kosten: Staaten, deren individueller Zinssatz unterhalb dem Eurobond-Zinsen liegt, müssen theoretisch draufzahlen, um die höheren Finanzierungskosten anderer Staaten zu subventionieren.
Diese Nachteile ergeben sich aus dem bisher angedachten Konstrukt für die Eurobonds. Das gegenwärtige Konzept sieht vor, dass sich Staaten zu 60 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts über Eurobonds und dem damit verbundenen Zinssätzen verschulden können. Dies entspräche dem Euro-Stabilitätspakt. Alle weiteren Schulden werden, wie bisher gehandhabt, selbst begangen und finanziert, überschreiten jedoch die Maastricht-Grenze.
Um der Kritik zu begegnen schlage ich eine Anpassung dieses Konzepts vor: Der Vorteil der Eurobonds, nämlich die geringen Finanzierungskosten für die Gemeinschaft, soll erhalten bleiben. Diese beruhen auf der Absicherung der EFSF gegen ein Ausfallrisiko der Schuldner. Da die EFSF weiterhin auf Anfrage des Schuldnerstaats Bonds ausgibt ist dies weiterhin gewährleistet. Ferner, soll auch für diese Bonds der Gemeinschaftszins gelten. Dieser wird, wie bei gewöhnlichen Staatsanleihen vom Markt bestimmt und ist durch die verlangte Risikoprämie der Investoren determiniert.
Der Unterschied zum bisherigen Modell besteht darin, dass der Schuldnerstaat jedoch auch für die von ihm initiierten Eurobonds einen Individualzins bezahlen muss, und zwar an die EFSF. Dieser wird direkt von eben solcher ermittelt und beruht auf wirtschaftlichen Fundamentaldaten, wie Gesamtverschuldung, Produktivität, Wirtschaftswachstum und Bonität. Eventuell ist eine Orientierung an den Kreditratings ebenfalls sinnvoll. Da für die meisten Staaten gilt, dass ihre Zinslast die der Eurobonds übersteigt, kommt es zu einem Überschuss. Die Differenz soll in zwei Fonds fließen. Der Krisenfonds soll für etwaige zukünftige Zahlungsschwierigkeiten einzelner Staaten zur Verfügung stehen und die Kapitaldecke der EFSF aufstocken. Ein Überschussfonds dient den Staaten, deren Finanzierungskosten unterhalb des Eurozinssatzes liegen. Da deren Zahlung wiederum um die Differenz zum Gemeinschaftszins aufgestockt werden müssen.
Auf Dauer wird jedoch angenommen, dass die mit der Einführung von Eurobonds notwendige wirtschaftliche Integration der Eurozone zu einem angleichen der individuellen Zinssätze führen wird. Die sogenannte Fiskalunion wird also auf lange Sicht den Kritikern ihre Munition nehmen.


Die Verschuldung über die Maastricht-Grenze hinaus wird weiterhin wie gewohnt direkt über den Markt gehandhabt. Sollten im Zuge engerer wirtschaftlicher Abstimmung auch andere Staaten, neben Deutschland, eine Schuldenbremse einführen, dürfte die Nettoneuverschuldung auf ein minimales Niveau sinken und innerhalb der Maastricht-Kriterien liegen.
Mit Hilfe dieses Modells lässt sich somit die hauptsächliche Kritik an Eurobonds begegnen und ein Anreiz zum langfristigen Sparen schaffen. Staaten mit solider Bonität müssen für andere Staaten keine zusätzlichen Finanzierungskosten in Kauf nehmen und die EFSF erhält genügend Kapital um zukünftigen Krisen ausreichend entgegenwirken zu können. Dabei bleiben die Vorteile der Eurobonds, niedrige Finanzierungskosten für den gesamten Euroraum, weiter erhalten und Europa wächst auch auf wirtschaftlicher Ebene näher zusammen. Nur auf diesem Wege ist ein stabiler Währungsraum langfristig gesichert und den Spekulationen endlich der Wind aus den Segeln genommen.

Montag, 15. August 2011

Showdown in Nahost – Angekündigte Unabhängigkeitserklärung der Palästinenser bringt Israel unter Zugzwang

Bis zum 20. September soll es soweit sein: Mahmud Abbas, Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, wird die Aufnahme Palästinas als unabhängigen Staat in die Uno Vollversammlung beantragen. Der genaue Termin ist noch unklar. Fest steht allerdings, dass, solang der Libanon den Vorsitz der Vollversammlung innehat, der Antrag vor der Sitzung der Generalversammlung am 20. September eingebracht werden soll.
Sicherlich, ein Erfolg Abbas ist ausgeschlossen. Die USA haben mit ihrem Stimmgewicht, im Einvernehmen mit Israel, einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung fernab des Verhandlungstischs eine Absage erteilt. Und Israel macht keinen Hehl daraus, hinter sich eine Koalition von 50 bis 70 Staaten zu scharen, die dem Entwurf ebenfalls ablehnen werden. Ob dieses Ziel aber erreicht wird, ist nach einer Reihe von Solidaritätsbekunden für die palästinensische Sache, insbesondere von Staaten Lateinamerikas und Afrikas, noch abzuwarten. Mit den USA in der Hinterhand, hat Netanjahu jedoch den Joker. Letztlich dürfte Palästina jedoch zu einem staatlichen Nichtmitglied erklärt werden, wofür eine einfache Mehrheit genügt und das es ihm erlaubt, Mitglied in allen UN-Organisationen zu werden.
An und für sich also ein unspektakuläres Prozedere. Doch mittlerweile laufen sich die Parteien warm, denn sie sind sich über die Symbolwirkung des Antrages wohl bewusst: Palästina soll aus dem Boden gestampft werden und verhandelt werden kann später. Dabei ist Abbas in einer durchaus komfortablen Lage. Er und seine Behörde können zusehen, wie Israel panisch versucht, die Symbolhaftigkeit zu zerstreuen und widersprüchliche Signale aussendet.
Avigdor Liebermann, Außenminister, erwartet blutige Ausschreitungen nach dem Scheitern des Antrags in der Generalversammlung. Vize-Premier Moshe Ya’alon rechnet bereits damit, den Palästinensern eine Lektion dafür erteilen zu können „die sie nie vergessen werden“. Auf der anderen Seite beschwichtigt Außenminister Ehud Barak. Er sieht keinerlei Gewaltausbrüche voraus und betont, eine militärische Aufrüstung sei nicht geplant. Die Fronten an den Grenzen zu Syrien, Libanon und dem Gaza-Streifen sind ohnehin jüngst aufgestockt worden. Gleiches gilt für die Polizeikräfte im Westjordanland. Und nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit baut Israel seine Grenzanlage zu Syrien mithilfe eines „Separationszauns“ in den Golanhöhen aus. Zusätzlich werden entlang der Demarkationslinie neue Landminen verlegt.
Also wird doch ein Ansturm von palästinensischen Flüchtlingen auf Israel erwartet? Und Israel wird sie gegen ein Heer von Soldaten und einem Zaun stürmen lassen. Sollten sie diesen überwunden haben, werden sie von den Minen in Stücke gerissen. Wer daraufhin den schwarzen Peter zugeschoben bekommt, liegt auf der Hand. So wie bereits geschehen, als Flüchtlinge im Mai und Juni über die Grenzen hinwegzuströmen versuchten und das Militär schlicht aus Ausweglosigkeit sich nicht anders zu behelfen wusste, als mit den Waffen.
Doch die Situation ist dieses Mal eine andere. Die damaligen Grenzstreitigkeiten wurden vermutlich vom syrischen Regime inszeniert, um von den immer noch anhaltenden Protesten der syrischen Opposition abzulenken. Dieses Mal ist es die palästinensische Autonomiebehörde, die ihre Bevölkerung instrumentalisiert. Denn es ist klar, Abbas wäscht seine Hände in Unschuld indem er sich auf die Grenzen von 1967 beruft und damit auf ein völkerrechtlich bindendes Abkommen. Dabei macht er sich das wahrscheinliche Aufbegehren der Palästinenser nach der vergeblichen Abstimmung im Sicherheitsrat zunutze: dadurch, dass das Militär keine andere Wahl hat, außer die einströmenden Massen zurückzudrängen, kann sich Abbas auf die Gewaltbereitschaft der Israelis berufen. Damit ist Abbas weiterhin in der Lage, die kritischen Stimmen über Israels Politik zu vermehren und es unter Zugzwang in den Friedensverhandlungen zu bringen.
Zweifelsohne scheint das die Taktik der Autonomiebehörde zu sein. Und bisweilen ist sie erfolgreich. Ressentiments gegenüber dem jüdischen Staat nehmen weltweit zu, manchmal auch nicht von Antisemitismus zu unterscheiden. Beide jedoch gleichzusetzen, wie viele israelische Politiker es der Einfachheit halber pflegen, ist schlicht falsch. Vorfälle wie die Menschenrechtsverletzungen im Gaza-Krieg 2008/2009, die Erstürmung der vermeidlichen Hilfsflotte für den Gaza-Streifen oder die besagte Erschießung grenzüberschreitender Flüchtlinge erhöhen den Druck der Weltgemeinschaft auf die israelischen Seite, in den Friedensverhandlungen mit den Palästinenser mehr Zugeständnisse zu machen und quasi Reparationszahlungen zu leisten.
Auch bei einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung dürfte Abbas dieses Kalkül verfolgen und Israel als verhandlungsunwillig bezeichnen. Zugegeben, auch Israel schafft mit dem weitervoranschreitenden Siedlungsbau stetig neue Fakten. Doch wer die Frustration und Wut der Israelis bedingt durch hohe Immobilienpreise und Wohnungsmangel begreift, versteht den Handlungszwang der Regierung ein Stück weit.
Tatsächlich ist es jedoch die palästinensische Autonomiebehörde, die den Verhandlungstisch meidet. Mit dem Verfolgen einer aussichtslosen Unabhängigkeitserklärung braucht sie sich nicht im Friedensprozess zu engagieren und kann nach dem Scheitern bei vermeidlichen Ausschreitungen Israel der Schuld bezichtigen. Notleidende sind dabei die Palästinenser, die geopfert werden und gemeinsam mit ihnen die Israelis, die erneut um eine friedliche Lösung gebracht werden. Israel muss, trotz der Unabhängigkeitsbestrebungen, wieder konstruktiv in die Verhandlungen einsteigen. Und die Palästinenser sollen endlich ihre Opferrolle ablegen, in die sie sich selbst navigieren. Nur wenn beide Seiten sich auf friedliche Verhandlungen einlassen, ohne kontinuierlich Fakten zu schaffen, besteht der Hauch einer Hoffnung, dass dieser elendige Konflikt endgültig aus der Welt geräumt werden kann.