Montag, 15. November 2010

CDU/CSU: Bürger sollen für Grundrechte bezahlen

Der Artikel 8 der Grundrechte gewährt allen Bundesbürgern, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis zu versammeln. In den vergangenen Monaten wurde dieses Grundrecht vermehrt in Anspruch genommen. So auch anlässlich der Castor-Transporte am ersten Novemberwochenende.
Laut Veranstalter versammelten sich ca. 50.000 Menschen um ihrer Wut, Enttäuschung und jeglicher weiterer Gründe die sie gegen die momentane Politik auf die Straße ziehen lassen, Ausdruck zu verleihen.
Ginge es nach der CDU, müssen Demonstranten zukünftig an den Kosten für Polizeieinsätze beteiligt werden. Ausschlaggebend waren die Proteste im Wendland, die mit 25 Mio. € zu Buche schlagen. Bernd Busemann, Justizminister in Niedersachsen, und Joachim Herrmann, bayrischer Innenminister, plädieren für eine Änderung des Versammlungsrechts, die unter anderem auch Gegenstand der Innenministerkonferenz am Mittwoch sein soll.
Mit dieser Forderung offenbaren die Schwesterparteien wieder einmal, dass sie sich mit den Demonstranten keineswegs verbrüdern wollen. Weiterhin sind sie außerstande zu realisieren, dass die Proteste Ausdruck einer breiten öffentlichen Strömung sind, die auch bereits bei ihrem Klientel, dem Bürgertum, angekommen ist. Das Gespür für die Belange, die das Volk bewegt, ist der CDU und CSU schon seit langem abhanden gekommen.
Beide Seiten, Protestierende und Regierende, warfen dem Gegner vor, unverhältnismäßig agiert zu haben. Die Polizei habe routiniert Pfefferspray eingesetzt, so der Sprecher der Anti-Atom-Initiativen. Dagegen äußerte sich die Polizeigewerkschaft mit der Behauptung, es sei zu „massenhaft zelebrierten Rechtsbruch“ gekommen. Es sind jedoch nicht die kleinen Schlamützel, die die Kosten in die Höhe trieben, sondern die schiere Anzahl derer, die von ihrem Grundrecht gebraucht machten. Schließlich spricht selbst Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann von einer „insgesamt friedlichen“ Veranstaltung.
Busemann und Hermann stellen mit ihrer Forderung sämtliche Demonstranten unter Generalverdacht und kriminalisieren pauschal alle Demonstrationen. Dabei versuchen sie genau einer Gruppe die Konsequenzen aus dem Betreiben von Atomkraftwerken aufzuladen, die auch vehement gegen die faktisch beschlossene Endlagerung in Gorleben ankämpft: den Bürgern. Denn nachdem der Bund die Forderung von Niedersachsens Ministerpräsident McAllister, die Kosten des Polizeiansatzes gerechter über mehrere Bundesländer zu verteilen, abgeschmettert hat und auch die Polizeigewerkschaft keinen Erfolg mit ihrem Vorschlag, die Energiekonzerne an den Kosten zu beteiligen, Erfolg haben wird, brauchen die Schwarzen einen Zahlmeister, der sich nicht so einfach wehren kann. Dass sie mit ihrem Ansinnen erfolgreich sein werden, ist zweifelhaft. Zumindest lenkt es die Debatte jedoch von den vermeidlich richtigen Forderungen an Bund und Atomkonzerne ab.
Bundesbürger dürfen ihrer Rechte nicht durch Auferlegung von Kosten, die durch deren Inanspruchnahme entstehen, beraubt werden. Dies gilt selbstverständlich nicht für Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. Der Staat muss sich als Garant der Grundrechte für deren Wahrung einsetzen, unabhängig davon, ob sie genutzt werden, um der Regierung das Missfallen ihrer Politik zu signalisieren.

Samstag, 6. November 2010

Wirtschaftsminister fordert Bevölkerung zum Unglücklichsein auf

Ganz nach Paul Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“ fordert Wirtschaftsminister Brüderle die Deutschen auf, sich ihrem Glück abzuwenden.
In dem am Donnerstag vorgestellten Grundsatzpapier zur Zukunft des Industrielandes Deutschland rät das Wirtschaftsministerium, Umwelt- und Klimapolitik der Wirtschaftspolitik unterzuordnen. Ziel sei es, „marktwirtschaftlichen Instrumenten Vorrang“ zu gewähren um so den Wohlstand auszubauen und das Wachstum zu beschleunigen, gesellschaftliche Ziele wie Umweltanliegen sollten „Aufwand und Ertrag nüchtern gegeneinander“ abwägen.
Dies bedeutet, Naturschutz muss den wirtschaftlichen Interessen weichen. Oftmals ist die Steigerung der Lebensqualität durch eine nachhaltige Lebensweise aber nicht monetär erfassbar. Zum Beispiel das Schaffen von Umweltzonen und Naturreservaten kann nicht mit den Mehreinnahmen einer alternativen industriellen Nutzung der Fläche aufgewogen werden. Und dennoch sind es eben solche Orte, die den Menschen mehr Lebensqualität und Wohlstand sichern. Unter einer Kosten-Nutzen-Rechnung gäbe es womöglich keinen spürbaren Umweltschutz, schließlich sind sie selten, so wie es das Wirtschaftsministerium fordert, „wirtschaftlich vertretbar“.
Auch ist durch eine Vielzahl von Studien, wie unter anderem vom Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahnemann, festgestellt worden, dass eine Steigerung des Wohlstandes im finanziellen Sinne nicht zwangsläufig zu einer Steigerung des Wohlbefindens beiträgt. Eine Untersuchung der Universität Princeton fand sogar heraus, dass jeder mehr verdiente Dollar über einem Jahreseinkommen von 75.000US$ dem Menschen wieder mehr Sorgen auflastet.
Nicht von ungefähr kommt es, dass das Bruttoinlandsprodukt als Indikator des Wohlstandes der Bevölkerung hinlänglich geworden ist. Soziologische und ökologische Aspekte spielen bei der Definition von Glück eine ebenso entscheidende Rolle, wie die Absicherung der Grundbedürfnisse.
Brüderle setzt sich dennoch verstärkt für die Interessen der Industrie ein. Er versteckt sich hinter der Behauptung, die Bürden des Klimaschutzes müssen auf den Schultern aller Länder verteilt werden. Solang dies nicht durch völkerrechtlich bindende Abkommen gewährleistet sei, darf auch die deutsche Schwerindustrie nicht belastet werden. Hierbei geht es weniger um die Tatsache, dass sich die Führungsriege der FDP einmal mehr als Büttel der Wirtschaft beweist, sondern vielmehr vom Verständnis dafür, was den Menschen wichtig ist.
Das ist mitnichten ausschließlich ein volles Portemonnaie, sondern auch eine umweltbewusste Wirtschaftspolitik und das Bewusstsein nachhaltig mit den Ressourcen umzugehen, um auch nachfolgende Generationen daran teilhaben zu lassen.
Das dient der Steigerung des Glücks und nicht, wie vom Wirtschaftsministerium gefordert, vorrangiges Wirtschaftswachstum.