Donnerstag, 30. September 2010

Regierung beschließt Steuersenkungen. (Versteckt.)

Die FDP kann sich freuen. Entgegen dem allgemeinen Empfinden hat sich die Regierung nicht lumpen lassen und sich um viele Milliarden Euro Mehreinnahmen erleichtert.
Dass sie sich damit nicht rühmt, hat zum einen damit zu tun, dass größtenteils nur die Wirtschaft entlastet wird und schwarz-gelb zum anderen der triefende Geruch der Klientelpolitik anhaftet.
Jüngstes Beispiel für die Großzügigkeit der Koalition ist das Beibehalten der Ökosteuervergünstigung. Ursprünglich sollte diese Steuererleichterung schrittweise für energiehungrige Unternehmen zurückgefahren werden. Der Aufschrei in der Industrie und ihr Druckmittel, Vernichtung von Arbeitsplätzen, waren anscheinend wirksam und ersparen den Unternehmen innerhalb von 4 Jahren 6 Milliarden Euro an Steuern.
Auch der Pharmaindustrie hat Minister Rösler ein Geschenk gemacht. Zukünftig werden Medikamente bereits mit der Zulassung als nützlich eingestuft und sind somit von den Krankenkassen zu bezahlen. Die Bedeutung des Gemeinsamen Bundesausschuss, der die Prüfung auf Nutzen durchführt, wird dadurch geschwächt. Dies bedeutet, dass Bayer und Co. ein weitaus größeres Absatzpotenzial für ihre Medikamente haben, da weniger davon ohne Zuschuss der Krankenkassen bleiben. Die Größe des Geschenkes ist an dieser Stelle noch nicht absehbar, doch den Unternehmen wird es Milliarden garantieren.
Nächstes Schlagwort: Gebäudesanierung. Ursprünglich aus dem Energiekonzept gestrichen, nun doch wieder aufgenommen, bringt es Haus- und Wohnungsbesitzern eine Förderung von 950 Millionen Euro ein. Die wird bei weitem jedoch nicht ausreichen, um alle Häuser bis 2050 energetisch auf den neusten Stand zu bringen. Und somit müssen die Mieter ran. Zwar können diese auch bei einer 70 Quadratmeter großen Wohnung 80 Euro im Jahr an Heizkosten sparen. Auf der anderen Seite hat der Vermieter jedoch das Recht, die Miete, um die durch die Sanierung entstandenen Kosten, zu erhöhen. Macht einen Aufschlag von ca. 180 Euro. Kosteneinsparung adé.
Die Energiekonzerne werden ebenfalls wohl gesonnen bedacht. Nicht nur die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke spült Mehreinnahmen von 31 Milliarden Euro in die Kasse. Nun sind auch die Kosten für sicherheitsrelevante Um- und Ausbaumaßnahmen gestrichen. Die vorerst veranschlagten Kosten von 20 Milliarden Euro für die Betreiber sind nun nicht mehr vorgesehen. Die Rede ist von einer Deckelung bei 500 Millionen Euro. Rechnerisch profitieren die Konzerne somit zu 100 Prozent von der Verlängerung, selbst mit der Brennelementesteuer und Zahlungen an den Öko-Energie-Fonds. Die Steuer, so haben die Grünen berechnet, fällt ohnehin um ca. 1 Milliarde Euro im Jahr geringer aus. Grund ist die Steigerung der Strommenge aus erneuerbaren Energien, welcher die Einspeisung von atomaren Strom verringert. Darauf wurde die Steuer letztlich berechnet.
Und ein weiteres Geschenk zeichnet sich ab: die Regierung wird auf ernsthaften Widerstand bei dem Durchsetzen der Bankenabgabe stoßen. Die im Sparpaket vereinbarte Mehreinnahme ist mitnichten bereits beschlossene Sache. Und dass die Banken eine der einflussreichsten Lobbygruppen besitzt ist nicht unbekannt. Die 1,2 Milliarden Euro werden der Branche wohl in ihrer jetzigen Form erspart bleiben.
(Die Steuererleichterung für Hoteliers ist mittlerweile ja schon ein Hut von gestern und findet an dieser Stelle keine Beachtung mehr.)
Rechnet man alle Fehler der Regierung zusammen, scheint das Sparpaket lediglich als Quelle für die Geschenke an die Wirtschaft zu dienen. Sicherlich ist es wichtig, die Wirtschaft vor allem nach der Weltwirtschaftskrise zu stützen. Doch haben die Konzerne bereits Methoden gefunden, solch Unterstützung entgegen aller politischen und ökonomischen Vernunft zu erschleichen.
Wer behauptet, die Regierung und die CDU im Besonderen stehen vor einem Linksruck, träumt wohl immer noch von einer Hartz-IV-Erhöhung jenseits der 50 Euro. Die Realität beweist, selten war eine Regierung so wirtschaftsliberal. Und noch seltener stand sie so wenig wie jetzt nicht zu ihren Beschlüssen. Dabei sind im Koalitionsvertrag Steuervergünstigungen von bis zu 24 Milliarden Euro jährlich vereinbart worden. Die kommen nun offenkundig versteckt und in anderer Form.
Der, dem sie eigentlich gebühren sollten, dem Bürger, ist angehalten, sich zu gedulden: vorerst bis auf weiteres. Zu erst einmal soll lediglich eine Steuervereinfachung folgen. Es fehlt an Geld.
Dagegen hätten die Bundesbürger durchaus eine Erleichterung nötig. Zwar zieht die Binnenkonjunktur an, aber werden in nächster Zeit keine weitreichenden Tarifabschlüsse erwartet und die Arbeitnehmer somit nicht am Aufschwung beteiligt.
Dafür werden sie jedoch an den Kosten für die Gebäudesanierung beteiligt, müssen zudem eine Flugticketabgabe berappen und dürfen sich über eine Erhöhung der Kassenbeiträge von 14,9 auf 15,5 Prozent freuen. Auch sie gehen somit nicht ohne Geschenke von CDU/CSU und FDP aus. Eines hat die Regierung leider allerdings noch nicht gelernt: wie man richtig Geschenke macht.

Sonntag, 26. September 2010

5 Euro für Arbeitslose und 31 Milliarden Euro für Stromkonzerne

Der Bundesregierung ist wieder einmal ein Coup gelungen: 5 Euro Erhöhung der Regelsätze für Hartz-IV Empfänger – wenn das mal nicht spendabel ist!
Lachen kann darüber nur leider niemand mehr. Die kümmerliche Erhebung zeigt wie schwer sich Von der Leyen damit tut, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Neuberechnung der Sätze umzusetzen.
Dies sieht vor, sich am „tatsächlichen Bedarf“ der Bezugsempfänger zu orientieren. Nach einer Studie der Universitätsklinik Dresden rauchten 2006 mehr als 50% der Arbeitslosen. Kann man Zigaretten also zum tatsächlichen Bedarf dazuzählen? Das Arbeitsministerium meint nein. Mit ähnlichen Vorschriften zum Konsumverhalten, wie zum Beispiel dem bundesweiten Rauchverbot, tut sich die Regierung allerdings wesentlich schwerer. Letztlich sollte der Bund nicht vorschreiben, was konsumiert wird, sondern den Empfängern diese Entscheidung selbst überlassen. Und wenn die Sucht es nicht anders zulässt, muss eben an anderer Stelle gespart werden.
Die Berechnungen zum tatsächlichen Bedarf beziehen sich auf die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahre 2008. Seit diesem Zeitraum haben sich die Preise um ca. 3,3% erhöht. Eine Anhebung um 5 Euro entspräche jedoch lediglich 1,4% und ist somit nicht einmal inflationsausgleichend.
Zugegeben, der Gesetzesentwurf ist noch nicht fertig gestellt. Besonders Leistungen für Kinder stehen weiterhin auf der Agenda. Doch es ist bereits absehbar, worauf es hinauslaufen wird: das Gesetzespaket wird dilettantisch geschnürt, die Opposition wird toben und Karlsruhe erneut angerufen. Das Problem ist dabei nicht der Inhalt des Gesetzes, sondern die Regierung selbst: sie zeichnet sich durch Klientelpolitik, Intransparenz und juristischem Dilettantismus aus.
Das kann man sich besonders gut vor Augen führen, schaut man sich den sogenannten Atomkompromiss an. Bis jetzt ist immer noch unklar, wie dieser Kompromiss genau zu Stande kam und wie die Einnahmen den Ausbau regenerativer Energien fördern sollen. Den Stromkonzernen ist das relativ egal. Lauf einer Studie des WWF werden diese durch die zusätzlichen Reststrommengen abzüglich der neu eingeführten Brennelementesteuer mehr als 31 Milliarden Euro als Zusatzgewinne bis 2037 verbuchen können. Wesentlich bedenklicher ist auch hier alles, was im Hintergrund lief. Bis auf die Lobbyarbeit von E.on und Co. scheint das allerdings eher weniger gewesen zu sein. So hat die Bundesregierung juristisch nicht klären lassen, ab wie vielen Jahren Laufzeitverlängerung die Einbeziehung des Bundesrates notwendig wird. Laut Innenministerium erfolgten die Absprachen mündlich. Bitte was?
Schwarz-Gelb versteht sich immer mehr darauf, eine Politik zu machen, die 1. unweigerlich von dem Bundesverfassungsgericht geprüft wird, und 2. sich darauf konzentriert, das föderalistische System zu umgehen und den Bundesrat zu meiden.
Resultat dieser kurzsichtigen Politik ist, dass Interessensgruppen, wie beispielsweise die Energiekonzerne, sich die dilettantische Arbeitsweise der Regierung zu Nutze machen um wirtschaftliche Interessen zu befrieden. Hartz-IV Empfänger haben diese Möglichkeit nicht und werden daher mit Peanuts abgespeist.

Montag, 20. September 2010

FDP bleibt bis 2025 hinter 2009 zurück

Es ist lediglich ein mathematisches Spiel! Lasst mich einmal von politischen Realitäten Abstand nehmen und die Historie und die Zukunft mit Hilfe der Statistik betrachten:
Bewertet man die Ergebnisse der Bundestagswahlen von der Gründung der Bundesrepublik, über die Wiedervereinigung bis hin zu aktuellen Umfragen, so verlieren die beiden sogenannten Volksparteien stetig an Volkscharakter (siehe Grafik). Und wie in aktuellen Umfragen bestätigt, ist der Aufwärtstrend der Grünen ziemlich beeindruckend.
Über die gesamte Geschichte der Bundesrepublik und allen Wählergenerationen hinweg eroberten 41,6% der Stimmen die Christdemokraten. Die SPD kommt auf 35,6%. Die FDP auf immerhin noch 9,6%. Grüne und die Linke belegen mit 7,5 und 6,8% die letzten Plätze (gerechnet vom Zeitpunkt ihrer Entstehung, kleinere Parteien ausgeschlossen). Solche Zahlen scheinen auch in der Bevölkerung verankert zu sein.



Schaut man sich die Grafik weiterhin an, fällt etwas weiteres auf: Schwarz und Rot sind stark schwankungsanfällig. Mit einer historischen Standardabweichung von 6 und 6,1% sind, zumindest mathematisch, Schwankungen von mindestens 6% im Ergebnis von Wahl zu Wahl wahrscheinlich.
Schlusslicht bei der Standardabweichung ist die FDP. Mit 2,5% weist ihr Wahlergebnis historisch eine geringe Fluktuation auf. Nehmen wir dazu noch an, dass die aktuelle Forsa-Umfrage dem Ausgang der Bundestagswahl 2013 gleicht und die FDP 5% der Stimmen wohl gesonnener Wähler erhält, hieße dies, dass die FDP noch ziemlich lange hinter dem Rekordwahljahr 2009 zurückbleibt.
Berechnet man die darauf basierenden zukünftigen Wahlergebnisse, müsse sich die FDP bis zur Bundestagswahl 2025 gedulden um wieder mit einem Ergebnis von ca. 15% glänzen zu können. Vielleicht kann sie dann in der Regierung erneut eine Laufzeitverlängerung für die letzten am Netz befindlichen Atomkraftwerke mitverhandeln.
Statistisch historisch betrachtet ein durchaus wahrscheinliches Szenario. Leider folgt die Politik aber nicht den Gesetzen der Statistik.

Sonntag, 19. September 2010

Sarrazin-Ausschlussverfahren straft Gabriel als Täuscher

Mittlerweile hat die Debatte um Thilo Sarrazin und seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ an Temperament verloren. Zumindest in der Öffentlichkeit. In der SPD werkelt die Parteispitze fleißig daran, dessen Ausschluss voranzubringen und nicht scheitern zu lassen. Dass dies aber mitunter sogar sehr wahrscheinlich ist, zeigt auf was für dünnem Eis sich der Parteivorstand bewegt.
Bereits im März diesen Jahres musste die Berliner SPD eingestehen, dass sie mit ihrem Parteiordnungsverfahren gegen den damaligen Bundesbankvorstand wegen dessen Äußerungen in der Kulturzeitschrift „Lettre International“ gescheitert ist. Sarrazin habe mit der damaligen „Kopftuchmädchen“-Debatte keine Grundsätze der Partei verletzt.
Dass er dies nun nachweislich insbesondere mit seiner Aussage „Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen.“ tut, ist zweifelhaft. Dies gilt hauptsächlich weil der promovierte Doktor der Wirtschaftswissenschaften seine Aussagen schnellstmöglich als „Riesenunfug“ und „Blackout“ revidierte.
Und genau zwischen diesen beiden Statements ist Gabriel mit seinem Anstoß geprescht ein Parteiordnungsverfahren gegen Sarrazin einzuleiten. Der Parteivorsitzende ist dafür bekannt, sein Gesicht in jede Kamera halten zu müssen und sich gegenüber jedwedem Sachverhalt zu positionieren. Mit diesem Verhalten eckt er vor allem in der Partei des Öfteren an. Und genau in jenem Fall könnte ihm sein Profilierungsgehabe zum Schaden gereichen.
Sollte der SPD-Vorstand dem Verfahren nicht entsprechen, wäre der Schaden nicht nur für Gabriel, sondern der gesamten SPD immens. Dieses Risiko ging Gabriel leichtfertig ein ohne auf die Stimmung in der Bevölkerung und im wesentlichen der eigenen Partei zu hören.
Erst kürzlich begann Gabriel mit seiner Idee zu werben, den Kanzlerkandidaten (also hoffentlich ihn) durch eine Vorwahl, an der sich auch Nicht-SPD-Mitglieder beteiligen dürfen, bestimmen zu lassen. Dieser Vorstoß geht einher mit seinem Bestreben, die Partei von innen heraus zu erneuern, basisdemokratischer zu gestalten und wieder vermehrt auf die Stimmen aus dem Volke zu hören.
Mit dem angestoßenem Ausschlussverfahren tut er genau dies nicht. Nicht nur SPD-Urgestein wie Steinbrück und Struck lehnen einen Ausschluss ab. Auch die Basis läuft Sturm und bombardiert die Parteispitze mit Anrufen, Emails und Briefen. Ihre Befürchtung ist klar: der Ausschluss verhindert eine konstruktive Integrationsdebatte und stellt Sarrazin als Märtyrer dar. Auch die SDP-Wähler sehen das so. Lediglich 43% können sich einen Ausschluss vorstellen. In der Bevölkerung sind es sogar nur 34%.
Folgerichtig hat Gabriels Vorstoß der Partei auch binnen einer Woche 2 Prozentpunkte an Stimmen gekostet (Umfrage „Stern“ und „RTL“).
Das Verhalten des obersten SPD-Mitglieds lässt also alles andere als Partei-erneuernd anmuten. Der von Gabriel ausgegebene Leitsatz war eine Luftnummer. Es scheint, als wolle er lediglich seinen Bekanntheitsgrad erhöhen indem er zu jedem Thema Position bezieht um davon anschließend in der Wahl zum Kanzlerkandidaten zu profitieren. Seine Hoffnung ist, so lässt es vermuten, dass sich der Wähler dann nicht mehr an Inhalte erinnert. Nur wird diese höchstwahrscheinlich nicht aufgehen, da sich dem Ausschlussverfahren eventuell in eine lang andauernde juristischen Schlammschlacht anschließen wird.

Freitag, 3. September 2010

Sarrazin entpuppt sich als Kanzlerfänger

Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin hat viele Gemüter erhitzt. Hitzige Debatten blieben aber leider aus. Die Wortmeldungen waren eher durch Anschuldigungen und Empörung geprägt. Ob sich einzelne nun trauen, sich mit dem streitbaren ehemaligen Finanzsenator konstruktiv auseinander zu setzen ist fraglich. Bemerkenswert ist allerdings, wie er es vermag die Gesellschaft zu polarisieren. Und noch viel auffälliger ist, wie eine, deren Machtworte in letzter Zeit vermisst wurde, ungewohnt klar Stellung bezieht.
Angela Merkel ist weder für ihre Geradlinigkeit noch eine zügige Reaktion bekannt. Umso überraschender ist es, wie es jemand aus einer Institution, die eigentlich politikunabhängig agiert, vermag, die Kanzlerin aus der verbalen Ecke zu locken.
Ziemlich geradeaus hat sie Sarrazins Äußerungen als "Unsinn" befunden und dem eventuellen Trichet-Nachfolger Weber nahegelegt, unverzüglich ein Ausschlußverfahren zu prüfen. Dass dieses nun auf Wulffs Schreibtisch liegt, wird von ihr sehr begrüßt. Und nebenbei ist sie eine der wenigen, die eine erneute Diskussion über die Integration von Ausländern fordert. Schäubles Intergrationsgipfel - damals unter großem Tamtam verkündet - sind offenbar nicht sonderlich dienlich.
Recht hat sie in dieser Sache! Endlich hört man mal wieder ein klares Wort der Kanzelrin. Und es tut gut, ihr zustimmen zu können.
Diese Klarheit, so wurde mehrheitlich bemängelt, hat sie in den letzten Wochen vermissen lassen. Der Neustart nach der Sommerpause blieb ungenutzt. Viele Debatten schwelen vor sich hin und so manch einer taumelt ohne klar erkennbare Leitlinie der Kanzlerin verloren umher.
Am kommenden Sonntag will Merkel nun endlich ihre Haltung zum Verbleib der 17 AKWs in Deutschland offenbaren. Juristischem Hickhack über Laufzeitverlängerungen und Sicherheitsstandards soll damit ein Ende bereitet werden. Außerdem konnte mehrheitlich ihr Sprecher Steffen Seibert der Kanzlerin Meinung bezüglich maßvoller Tarifabschlüsse, einem Internet-Gesetz und Hilfen zu Pakistan kundtun. Nichtigkeiten. Bei großen Baustellen wie der Reform der Bundeswehr, der Hartz-4 Sätze, des Gesundheitswesens oder der Finanzmärkte übt sich die Kanzlerin in ihrer gewohnten Beharrlichkeit und wartet bis sich die Probleme in entscheidungsfreundliche Häppchen aufgelöst haben.
Vielen stößt das auf. Vor allem die Parteibasis der CDU vermisst eine Leitfigur. Doch ist diese Kritik angebracht?
Das Kanzleramt ist nach dem Grundgesetz verantwortlich für die Richtlinien der Regierung und deren Politik. Darüber hinaus trägt der/die Bundeskanzler/in die Verantwortung für jedwede getroffene politische Entscheidung. Also Entscheidungen die letzlich auch gefällt wurden. Innerhalb der einzelnen Ministerien aber, sind die jeweiligen Minister für ihre Vorhaben zuständig und haben diese auch gegenüber dem Parlament zu rechtfertigen. Nach dem Kollegial- und Ressortprinzip ist es der Kanzlerin gar untersagt in einzelne Sachfragen einzugreifen und ihren Standpunkt durchzusetzen. Geschichtsbedingt sollte die Machtfülle dadurch begrenzt bleiben. Für alle diejenigen, die nun vermehrt nach Machtwörtern der Kanzlerin rufen sollte demnach gelten, die Verantwortung die sie durch die Gesetzgebung zugesprochen bekommen haben auch dementsprechend zu nutzen.
Das Schweigen der Bundeskanzlerin ist oft kein taktisches Abwarten um beispielsweise Wahlergebnisse nicht negativ zu beeinflussen, sondern lediglich das Vertrauen der Kanzlerin in die Expertise der einzelnen Ressorts. Dazu ist sie verpflichtet.
Darüber hinaus ist sie als Parteivorsitzende anfällig von unten. Da ihr Amt demokratisch gewählt wird, sollte sie es tunlichst unterlassen, ihre Minister zu übergehen und der Legislative ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Die Basis könnte es ihr rächen.
Auch wenn Merkels Wortmeldung zu den Thesen von Dr. Sarrazin ungewöhnlich harsch waren, tun sie letztendlich nicht direkt die angebliche Führungslosigkeit ersetzen. Diese wird nicht durch Einmischen in die Vorhaben der Minister demonstriert, sondern durch das Beharren auf die politischen Richtlinien. Dass sich diese mittlerweile nicht mehr aus dem Koaltionsvertrag ableiten lassen, ist eine andere Geschichte.
Die Minister wären also gut beraten, die ihnen zugesicherte Freiheit zu nutzen und ihre Mutlosigkeit nicht hinter der Wortkargheit der Kanzlerin zu verstecken. Dies zu erkennen benötigt keinen Sarrazin, sondern ein generelles Verständniss der Rolle der Bundeskanzlerin.