Mittwoch, 30. Juni 2010

Good Bye G8 - Wie der G20-Gipfel die wachsende Bedeutungslosigkeit der Westmächte verdeutlicht

Gott sei Dank ist der G20-Gipfel zu Ende und Nichts musste beschlossen werden. Da haben die Staats- und Regierungschefs noch einmal Glück gehabt. Und wahrscheinlich waren die Kosten nur deshalb so astronomisch hoch, damit niemand im Vornherein über den möglichen Inhalt diskutiert, sondern nur über die Verschwendungssucht der kanadischen Regierung. Es ist schon merkwürdig und nicht zu rechtfertigen, wenn diese Kosten so hoch sind wie ein Fünftel der zugesagten zusätzlichen Entwicklungshilfen. Auch ist man froh, dass dieser Gipfel so schnell verpufte wie das Geld, das er kostete, weil keine Regierung daheim einen Beschluss rechtfertigen muss, der dem Wähler unschlüssig vorkommt. Denn mittlerweile stehen fast alle Regierungen auf wackligen Beinen (auch in China rumort es bereits in einzelnen Provinzen). Und eben darum wird dieses Treffen der Mächtigsten nicht in die Geschichtsbücher eingehen.
Wohl aber eventuell als eines, das den Wendepunkt in der globalen Politik und dem Mächteverhältnis kennzeichnet. Eines ist nämlich offensichtlich: dass die G8 ihre Entscheidungshoheit eingebüßt haben. Die Zeiten sind vorbei in denen weltweit das umgesetzt wurde, was der Kreis der Auserwählten für richtig hielt. China & Co. verstehen sich mittlerweile bestens darauf, Konsens zu verhindern und Beschlüsse erst gar nicht greifbar werden zu lassen. Nationale Interessen wiegen heute weitaus mehr als ein internationales Stelldichein. Die Wirtschaftskrise hat dies mit den protektionistischen Maßnahmen der jeweiligen Regierungen noch befeuert. Auch das seit Jahren kläglich scheiternde Abkommen der DOHA-Runde spricht Bände für das Bestreben, die Märkte zu globalisieren. So ganz möchte das denn doch niemand. Ganz besonders, wenn es um den bekannten ersten Schritt geht. Die heimischen Märkte und damit auch dessen Wählerstimmen sind den Politikern am wichtigsten - Überschüsse, unfairer Wettbewerb oder Handelsbeschränkungen hin oder her.
Die G8 und davon ganz besonders die USA und Westeuropa sind längst nicht mehr die Motoren der Welt, wirtschaftlich und politisch. Wer sich über die Presse tagelang Schlagabtausche liefert, wie eine Regierung ihr Land zu führen hat (siehe deutsch-amerikanischer Konflikt über das Sparpaket) versucht offenkundig, vom eigenen Abdriften in die Bedeutungslosigkeit abzulenken. Auch außenpolitisch ist es sehr still geworden um die G8 (abgesehen von einem Medwedew im Silicon Valley). Und bilaterale Abkommen ersetzen mehr und mehr multilaterale Beschlüsse. Oft schon geben Staaten wie China und Brasilien in Entwicklungsländern den Ton an. Zugegeben, dieser ist meist ein aus wirtschaftlichen Interessen geprägter Tenor, doch mehr und mehr bestimmen die BRICs, wie die AKPs gegenüber den Großen auftreten. Und die lassen sich nicht erst seit diesem Gipfel vorschreiben, wie sie ihre Länder zu führen haben. Schließlich waren es die USA & Co. die dafür verantwortlich sind, dass Themen wie Finanzmarktregulierung und Defizitabbau auf der Agenda landeten. Sonst könnte man eben wieder wie seit eh und je über weitere Entwicklungshilfe debattieren.
Klar ist also, dass die aufstrebenden Staaten sich nichts mehr von denen sagen lassen wollen, die langsam aber sicher ins Hintertreffen geraten. Was soll man von Ländern erwarten, deren Währungen sich abwechseln Tageshöchstverluste zu toppen, deren Außenminister so präsent sind wie eine Catherine Ashton oder deren Regierung sich am innenpolitischen Konflikten zerreiben? Eben. Und darum werden auch zukünftige Gipfel keine weitreichenden Schlüsse mehr fassen können. Deshalb sollte das Geld von vornerein an die Armen dieser Welt verteilt werden. Die diskutieren ohnehin nicht so gerne.

Sonntag, 20. Juni 2010

NRW: Ein Eiertanz geht zu Ende (vorerst)

Ein Aufatmen geht durch das Ruhrgebiet, das Rheinland, das Sauerland, das Münsterland, ja gar durch ganz Deutschland. Besonders die Parteispitzen um SPD und Grüne werden die Entscheidung der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft mit Erleichterung aufnehmen: die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat geht flöhten und der politische Umbruch auch auf Bundesebene mag für die nächste Wahl vorgezeichnet worden sein. So zumindest die Theorie.
Das Gerangel um den nordrhein-westfälischen Landtag ist mittlerweile schwer nachzuvollziehen. Wie kam es also eigentlich zu diesem Eiertanz? So wirklich verständlich scheinen die Entscheidungen von Frau Kraft nicht zu sein. Zuerst hieß es, die Bürger hätten ganz klar Schwarz-Gelb abgewählt und für eine neue Koalition aus Rot-Grün gestimmt. Bei 6.000 Stimmen weniger für die SPD als für die CDU ist diese Behauptung vielleicht mit einiger Skepsis hinzunehmen. Schaut man sich das Wahlergebnis an, wollten die Wähler aber wohl eher eine große Koalition (oder keine der beiden großen Parteien). Und dieser Wunsch ist auch offensichtlicher. Die Erinnerungen an Rot-Grün im Bund sind verschwommen und durch die Agenda 2010 getrübt. Und dass Schwarz-Gelb ausgedient hat erkennt man auch ohne den Blick auf die Landtagswahlen. Die große Koalition ist den Bürgern hingegen in weitaus besserer Erinnerung geblieben. Die Opposition war damals schwach und war nicht in der Lage fundierte Oppositionsarbeit zu leisten. Und innerlich waren sich beide Volksparteien bis zum Ende relativ einig: die Mehrheit nutzen, Konsens schaffen und wichtige Vorhaben realisieren. Dass es dabei auch mitunter heftigen Zoff gab, ist nicht vordergründig. Somit ist im Moment ebenso nachvollziehbar, dass sich viele Bürger auch auf Bundesebene eine Große Koalition zurückwünschen. Daran hätten sich die Landesfraktionen orientieren können. Was letztendlich hinter den Kulissen geschah, bleibt den Wählern jedoch verborgen. Dass die Bundesvorsitzenden von SPD und Die Grünen aber Druck aufgebaut haben und auf eine rot-grüne Koalition drangen ist dabei kein Geheimnis.
Krafts Glaubwürdigkeit wäre es dennoch gedient gewesen, wenn sie ihre oftmals widersprüchlichen Aussagen über ihre zukünftige Rolle und die der Partei für sich behalten und diese erst nach einer Einigung mit allen Seiten - auch auf Bundesebene - kundgetan hätte. Nur wollte und konnte sie das Entscheidungszepter nicht aus der Hand geben, auch, um nicht den Eindruck zu erwecken, sie sei eine Marionette. Zweifelsohne schlechte Voraussetzungen für eine Ministerpräsidentin.
Die Stelldichein mit der Linken, der FDP und mit der CDU haben dazu für reichlich Verwirrung gesorgt. Anmaßend hat die SPD darauf gewartet, dass ihre Partner auf sie zugehen. Woher diese Sturheit kam ist fraglich. Schließlich hat es die SPD geschafft die anderen Parteien als kompromissfaul dastehen zu lassen, ohne sie sich selbst dabei keinen Deut weit zu bewegen. Bis zu dem Zeitpunkt, als Kraft verkündete aus der Opposition heraus das Wahlversprechen einzulösen, glaubte auch niemand, dass die SPD nicht doch tatsächlich Neuwahlen bevorzugt, obwohl sie das natürlich stets verneinte. Die Demokratie hätte einen ernsthaften Schaden genommen, wäre es soweit gekommen. Das letzte Wort ist dabei allerdings noch nicht gesprochen. Sollte die neue rot-grüne Minderheitsregierung scheitern, wären Neuwahlen das einzig vernünftige. Das Vorhaben steht nun für die gesamte Legislaturperiode auf Messers Schneide. Schon die Wahl zur Ministerpräsidentin könnte für Kraft zum Kraftakt werden. Die Verabschiedung des Haushalts im Herbst ebenso. Die Regierung versucht somit Hürde um Hürde zu nehmen und halbwegs erfolgreich bis zur nächsten Landtagswahl durchzuhalten, ob vorgezogen oder nicht. Dann hofft man auf den Ministerpräsidenten-Bonus und auf eine stabile rot-grüne Mehrheit. Dass das nicht zwangsläufig der Fall ist, hat Rüttgers unfreiwillig bewiesen.
Dennoch kann solche Regierungsarbeit nicht automatisch von Erfolg geprägt sein. Der Druck auf Kraft bleibt konstant hoch und die Angst vor einem Scheitern der Koalition wird bei jeder Entscheidung präsent sein.
Dass Kraft diesen Verhältnissen ausgesetzt ist, ist wohl Gabriel und Co. zu verdanken. Ihren machtpolitischen Interessen wird es zu verdanken sein, wenn das Minderheitsregierungsexperiment scheitert und dabei wohl nicht nur die politische Karriere von Kraft auf dem Gewissen hat. Das Risiko ist groß und wird dennoch in Kauf genommen um im Bundesrat eine Mehrheit zu schaffen und die politische Kehrwende einzuläuten. Dass das nicht Krafts ursprüngliches Ansinnen war, ist leicht zu erkennen. Dass sie daraus gestärkt hervor geht allerdings nicht.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Endlich Sommerpause – Warum die parlamentarischen Ferien gut sind

Bald ist es endlich soweit. Ab dem 12. Juli wird der Bundestag für gute 60 Tage keine Sitzungen mehr abhalten. In der Sommerpause können die Abgeordneten mit ihren Kindern die Schulferien verbringen und sich einmal ganz von allen Reibereien im Parlament erholen. Und das ist auch gut.
Nicht nur die Parlamentarier brauchen nämlich eine Auszeit, sondern auch deren Wähler. Das politische Gerangel und Gezerre stößt mittlerweile auf Unverständnis in so gut wie allen gesellschaftlichen Schichten und der Wunsch nach Abstrafung der Regierung wird unüberhörbar lauter. Die Scharmützel der Koalitionsparteien bringen unser Land nicht voran, höchstens erweitern sie den Wortschatz um politische Faux Pas. Mittlerweile bewegt sich nichts mehr. Sämtliche Entscheidungen werden kaputt debattiert und aufgeschoben. In den Jahren mit einer konstruktiven Regierungsführung waren die Parteien üblicherweise darum bemüht, Gesetzesinitiativen noch vor der Sommerpause durch das Parlament zu bringen. Schwarz-Gelb bildet nun eine Ausnahme. AKW-Laufzeitverlängerung, Debatte um die Wehrpflicht, Kopfpauschale… alle Kontroversen sollen erst nach einer Erfrischungskur angegangen werden, ganz egal, ob es mit der ursprünglichen Planung kollidiert (im Herbst sollte bereits das erste Atomkraftwerk vom Netz gehen). 2009 hat die Große Koalition sogar die Sommerpause ausgesetzt weil die Wirtschaftkrise und der Wahlkampf politischen Tatendrang verlangten. Und dennoch sind sich wohl alle einig: wenn nach der Pause endlich vernünftig angepackt wird, sollen die Projekte ruhig warten.
Begründet wird der Stillstand vornehmlich mit der Wahl des Köhler-Nachfolgers, dem Chaos bei der Regierungsbildung in NRW und selbstverständlich damit, dass Gutachten zu jedwedem Thema noch nicht abgeschlossen sind. Dass viele der anstehenden Projekte aber nicht direkt damit in Verbindung zu bringen sind, wird gerne verschwiegen. Dabei gibt es durchaus Tatendrang unter den Schwarz-Gelben. Ursula von der Leyen hält die Fahne ganz nach oben, anscheinend, um sich vom Verdruss der entzogenen Bundespräsidentenkandidatur abzulenken. Auch andere Kabinettsmitglieder sehen die verordneten Ruhetage als Nichterfüllung des Wählerauftrags. Ändern wird dies wohl nichts.
Einmal mehr werden Tageszeitungen und Nachrichtensendungen in ein Themenloch stürzen und es hoffentlich mit sinnvollen Inhalten füllen. Keine Gurken und Wildsäue mehr. Es kann kaum schöner sein.
Aber auch den Abgeordneten sei die Pause gegönnt. Sie können sich einmal emotional beruhigen, Druck abbauen und sich in der Toskana oder auf Mallorca auf das besinnen, was eine Koalition ausmacht: Verhandlungsgeschick und Kompromissbereitschaft. Auf alle Fälle sollten sie nicht auf die Idee kommen, gemeinsam in ein Jugendcamp zu fahren. Die paar Euro mehr für einen getrennten Urlaub werden das Sparpaket auch nicht scheitern lassen. Auch innerparteilich sollten die MdBs etwas Abstand gewinnen. Das Gefeilsche um den Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten innerhalb der FDP und CDU offenbart die inneren Spannungen. Lagerkoller bereits nach einem Jahr?
Es scheint so. Einzelne Personen heben sich dabei ganz besonders hervor. Seehofer und Pofalla heizen die Stimmung kräftig an und fast wünscht man sich den mittlerweile handzahmen Westerwelle zurück. Dessen Kommentare wurden wenigstens von niemandem Ernst genommen. Oder ein Sarrazin. Über ihn konnte man noch lachen, wenngleich der Inhalt seiner Äußerung eher zum weinen war.
Alle sind also reif für die Insel. Erholt kann die Regierung sich dann an einen gigantischen Berg von Arbeit machen und man hofft, dass diese Arbeit von persönlichen Quälereien ablenkt. Themen gibt es zumindest zu genüge, so dass auch niemand die Gelegenheit haben sollte, sich auf einen anderen einzuschießen, vorausgesetzt, dass sich jeder auf die Regierungsarbeit konzentriert und nicht so tut, als sei man in der Opposition. Jedes Ministerium darf sich auf der eigenen Baustelle austoben: Bildung an der 10%-Marke (Ausgaben für Bildung gemessen am BIP), Verteidigung an der Bundeswehrreform, Finanzen am Defizitabbau, Umwelt an der Vorbereitung für den Klimagipfel in Mexiko und so weiter.
Bereits heute sind dies dringliche Themen. Doch es bleibt zu hoffen, dass eine frische Sommerbrise die Köpfe durchlüftet und die Gemüter beruhigt. Es ist seltsam, wenn die Hoffnung, dass sich ein Politikwechsel vollzieht, darauf beruht, dass die Politik einmal nichts tut. Wenn das nicht hilft, sollte sich die Regierung wohl für den Rest ihrer Legislaturperiode Urlaub nehmen. Politisch gesehen kein Unterschied und die Leute wissen, dass sie auch in den Winterferien kein politisches Sommerloch zu befürchten brauchen.

Montag, 14. Juni 2010

Bundestagswahl 2010 – Das mögliche Ende der Regierung

Der Lärm der Vuvuzela ist nichts gegen das, wie es gerade in der Koalition kracht. Selbst Abgeordnete wissen nicht mehr, an welcher Front sie eigentlich kämpfen. Das liegt nicht unbedingt daran, dass die Tippgemeinschaften zur WM aneinander reiben. Noch nicht einmal ein ¾ Jahr an der Regierung und CDU/CSU und FDP häufen Zerwürfnis über Zerwürfnis an. Spekulationen über den großen Bruch reißen trotz dem Machtwörtchen der Kanzlerin nicht ab. Sie lässt die Sprachgewalt ihres Vorgängers Schröders vermissen und somit ist es nicht verwunderlich, dass munter weitergestichelt wird. Gurken, Rumpelstilzchen und Wildsäuen werden wohl noch andere Verbalausfälle folgen. Es ist ein Kindergarten.
Nun ist eines dieser schwelenden Konfliktherde die Wahl des Bundespräsidenten am 30. Juni. Die FDP droht, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, die Wahl von Merkels Kandidaten Christian Wulff gegen die Wand fahren zu lassen. Und immer mehr Landesverbände der FDP liebäugeln mit dem Gegenkandidaten der Opposition, Joachim Gauck. Der war übrigens auch einmal der Liebling der CSU – bei der Bundespräsidentenwahl 1999, jedoch lehnte er die Nominierung ab. Ein überparteilicher Kandidat also, der das Potenzial hätte, die Regierung wieder zu einem inneren Frieden zu bewegen, wenn die Kanzlerin ihre parteiinternen Machtspielchen ignoriert hätte. Und stellen wir uns nun einmal vor, am 30. Juni kommt es zum Eklat und die Bundesversammlung kommt im ersten und zweiten Wahlgang zu keinem eindeutigen Ergebnis. Es wäre das Todesurteil für die Ehe Schwarz-Gelb.
Interne Streitigkeiten hätten der Koalition die Grundlage ihrer Regierungsarbeit beraubt und nehmen wir auch einmal an, Merkel würde sich eines Instruments bedienen, das unter Rot-Grün des Öfteren Anwendung fand: sie stellt die Vertrauensfrage. Und da es nicht nur bei der FDP brodelt, sondern auch in der eigenen und in der Schwesterpartei, wird ihr das Vertrauen versagt bleiben. Neuwahlen werden ausgerufen und die Bürger dürfen wieder einmal zur Urne gebeten werden.

Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre…


Laut der aktuellen Emnid-Umfrage „Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre…“ würde erneut keine Wunschkoalition zustande kommen. Das Ergebnis unterscheidet sich nicht sonderlich von der letzten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Bleibt nur die Frage, ob die Koalitionsverhandlungen genauso verkorkst laufen. Zwar hat die SPD auf Bundesebene den Linken eine klare Absage erteilt, aber von deren Standfestigkeit ist wohl nicht einmal mehr Sigmar Gabriel selbst überzeugt. Und dennoch wäre Rot-Rot-Grün eine Option vor der die SPD zurückschrecken wird und sollte. Mit einer Partei zu koalieren, die immer noch in romantischer Erinnerung an eine Diktatur schwelgt, würde die Demokratie, die seit nun mehr über 60 Jahren Frieden in Europa sicherstellt, beschädigen. Das darf keine Volkspartei riskieren. Ob die mit dem Zerbrechen der Koalition einhergehenden Stimmenverluste für CDU/CSU und FDP ausreichend sind, um eine Neuauflage von Rot-Grün zu ermöglichen ist zweifelhaft.
Auch ließe sich von der Landtagswahl ableiten, dass Jamaika in Berlin nicht funktionieren wird. Die FDP ist stark beschädigt. Sie hat für die Regierungsbeteiligung durchaus sehr fähige Minister gestellt, doch es scheint, als ob sie sich aus der Oppositionsstarre nicht befreien konnte und sich im Grunde genommen wieder dorthin zurückwünscht. Gelb ist out.
Und für viel mehr reicht es auch andernorts nicht. Nostalgiker aus CDU und SPD wird das freuen. Eine Neuauflage der großen Koalition ist die einzige realistische Option für eine Bundestagswahl 2010. Wie zwei Verliebte nach langer Trennung und einer Zeit der Bitterkeit werden sich die beiden Großen mit Harmoniegelübde überschlagen. Deutschland könnte endlich mal wieder von einer Lust zu Reformen erfasst werden. Der Gestaltungswille wäre wahrscheinlich, über die Koalitionsverhandlungen hinaus, groß.
Doch woran scheiterte die große Koalition 1.0? Es waren unüberbrückbare Differenzen, überzogener Stolz und ständiges Schielen auf potenziell angenehmere Koalitionspartner. Die CDU wurde bei letzterem zumindest besser belehrt. Eine inhaltliche Annäherung zu Bildung, Wirtschaft oder Soziales gab es nach wie vor nicht. Wie könnte es auch? Schließlich war vorerst kein Bedarf für eine Annäherung.
Konkret scheinen Konflikte über die AKW-Verlängerung, das Sparpaket und schließlich die K-Frage unüberwindbar. Schlussendlich bleibt aber alles eine Frage der Machtverhältnisse und der Not zu Zugeständnissen.
Das trifft nun auch auf die Bundespräsidentenwahl am 30. Juni zu. Wenn CDU/CSU und FDP sich nicht der Dramatik dieser Stunden bewusst werden und sich weiterhin nur mit sich selbst, statt mit dem, was dieses Land bewegt, beschäftigen, wird eine Bundestagswahl noch in diesem Jahr äußerst wahrscheinlich. Dann hilft auch kein Auf-den-Tisch-Gehaue von Merkel, sondern nur die Erkenntnis, dass ein Bündnis mit dem augenscheinlich besten Koalitionspartner immer noch keine funktionierende Regierung ausmacht.

Donnerstag, 10. Juni 2010

Es war einmal ein Sparpaket…

Das Geschrei ist groß. Die Debatte lang. Und dennoch: das Sparpaket der Schwarz-Gelben Regierung liegt auf dem Tisch. Und nicht nur auf irgendeinem Tisch, sondern auf allen Stammstischen Deutschlands und ein jeder scheint sich seine Meinung gebildet zu haben und muss diese nun laut kundtun. So auch ich.
Der Rotstift der Regierung ist eifrig. Rot mutmaßt das Sparpaket aber allerdings gar nicht an. Zwar sind die beabsichtigten Einsparungen von 80 Mrd. € in den nächsten Jahren eine beträchtliche Summe - und dabei werden wohl alle Stammtische zustimmen, die Neuverschuldung von Bund und Ländern muss sinken und das Defizit abgebaut werden, nicht nur zum Wohle nachfolgender Generationen, sondern auch um endlich einmal wieder zu einer langfristig soliden Haushaltsplanung zu gelangen – trotzdem scheint die Verteilung, wie schon von allen Seiten lauthals bekräftigt, ungerecht zu sein. Sie soll gar den sozialen Frieden bedrohen. Unpraktisch wenn wir in einer sozialen Marktwirtschaft leben.
Aber wie sozial kann eine Wirtschaft noch sein, wenn die sozialen Verpflichtungen, die allen Bürgern auferlegt werden, mittlerweile ein Niveau erreicht haben, das wir zukünftigen Generationen nicht mehr rechtfertigen können. Dem politischen Unwillen der Regierung, diesen Zeitpunkt für nachhaltigere Veränderungen zu nutzen wird es verschuldet sein, dass die Deutschen einmal mehr darum gebracht werden sich in ihrer sozialen Marktwirtschaft wohl zu fühlen. Der Zeitpunkt ist deshalb ideal, weil die Bevölkerung ein Bewusstsein entwickelt hat, dass Einsparungen dringend nötig wären. Nur sollten diese eben auch gleichwertig verteilt werden. Den Menschen muss das Gefühl gegeben werden, dass sie nicht einkategorisiert werden in Melkkühe und Durchgefütterte. Jeder kann und wird in Umstände geraten, die nach einer finanziellen Absicherung durch den Staat verlangen. Auf der anderen Seite, sollten sich solche Leute jedoch nicht in der Bequemlichkeit wiederfinden, die Wahl zwischen staatlicher Absicherung des Lebensunterhalts und Arbeit zu haben. Und eben diese Ansicht verbreitet den Missmut der Bürger über die soziale Marktwirtschaft.
Den Kinderfreibetrag kann sich die Regierung schenken. Dringlicher und wirksamer wäre ein Anreizsystem, das Arbeitslose wieder zurück in ein Beschäftigungsverhältnis führt. Das würde die benötigten Milliarden sparen und ausreichend Wachstumsimpulse senden. Nur traut sich niemand mehr solche Strukturreformen offen zu fordern, weil mittlerweile ein Verdruss herrscht, wie die Regierung, sollte sie dieser Forderung nachkommen, diese umsetzen würde. Und zwar mit der Aufstockung der Mittel für die Bundesagentur und ein Meer von Weiterbildungsmaßnahmen die den Leuten aufgezwungen werden. Folgerichtig folgenlos. Die Erkenntnis, dass der Mut fehlt drängt sich dabei genauso auf, wie die Verwunderung über das Sparpaket selbst. Niemand kann wohl genau sagen, welche Luftschlösser dieses Mal größer waren, die Bestandteile des Sparpaketes oder die Hoffnungen auf denen es beruht. Eines ist jedoch sicher, wer mit Hilfe von Instrumenten die es noch nicht einmal gibt und deren Einführung auch mehr als fragwürdig ist riskiert, dass der soziale Frieden weiter ins Wanken gerät, muss verzweifelt sein.
Eines dieser Instrumente, die Finanztransaktionssteuer, wird die Regierung auch nicht näher an den ausgeglichenen Haushalt bringen, sondern sie einmal mehr auf europäischer Ebene isolieren. Das Verbot gewisser Leerverkäufe mag ja einige Finanzexperten aufgeschreckt haben, aber bei den hiesigen gehandelten Volumina kann man es noch als kosmetischen Eingriff abtun. Eine Steuer jedoch, die alle Transaktionen belastet wird einen weitaus größeren Effekt auf unsere Nachbarn erzielen. Merkel und Co. wollen ihre Entschlossenheit, die Banken an den Kosten der Krise zu beteiligen, unmissverständlich demonstrieren. Die Motivation ist genauso nachvollziehbar wie gerecht, nur sollte es eben nicht bei einer Demonstration bleiben. Auch werden sie versuchen den sozialen Frieden wieder etwas gerade zu rücken. Was dabei jedoch weniger geradlinig ist, ist die Vermutung, dass die Banken die Abgabe an deren Kunden weitergeben werden. Die Kosten der Krise werden somit erneut dem Bürger aufgeladen. Dabei sind die Forderungen, wie man die Banken nachhaltig beteiligen kann genauso alt, wie die Krise selbst, nämlich eine verbesserte Risikoabsicherung, inklusiver einer höheren Eigenkapitalquote und eine Abgabe auf die Handelssumme. Diese Kosten weiterzureichen dürfte weitaus schwieriger sein. Den Eigenhandel direkt oder indirekt über Verbote von gewissen Finanzmarktinstrumenten einzuschränken wird dabei wenig am Bewusstsein der Banken verändern, dass risikoreiches Handeln auch abgesichert sein muss.
Das wären nicht nur Maßnahmen, die die Bürger augenscheinlich beruhigen dürften, sondern auch ihre Wirkung zeigen werden. Es gilt eben nicht nur, neue Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen, sondern auch ein Gespür dafür zu haben, was den Menschen wichtig ist. Und eine Kostenbeteiligung der Banken an der Krise ist eines davon.
Bei der Beschneidung des Verteidigungsetats scheint dieses Gespür vorhanden gewesen zu sein. Für die Bundeswehr haben nicht nur die längste Zeit Leute gedient, sondern sie selbst hat auch ausgedient. Der Lieblingsminister zu Guttenberg hat das erkannt und darüber hinaus noch seinen Willen demonstriert, sich durchzusetzen. Und das schätzt das Volk. Ob darauf hin nun ein Soldat mehr oder weniger berufen wird ist ihm egal. Denn was zählt ist der eigentliche Nutzen und dieser wird bei der Bundeswehr als äußerst gering wahrgenommen.
Gleiches gilt auch für die erweiterte Mautgebühr oder eine Abgabe der Stromkonzerne auf eine eventuelle Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Die Regierung hat durchaus gezeigt, dass sie in der Lage ist, etwas aus dem aufgeblähten Haushalt zu quetschen. Leider ist sie dabei vorgegangen wie ein Elefant im Porzellanladen. Das erzürnt die Gemüter zu Recht. Doch es bleibt zu sagen, dass der Sparzwang nicht aufgeschoben werden kann und die Politik handeln musste. Schlussendlich muss der Stift irgendwo angesetzt werden. Dabei ist das letzte Wort noch nicht gefallen und der Zeitpunkt ab dem die Schuldenuhr langsamer zu ticken beginnt ist noch in weiter Ferne. Schade ist jedoch nur, dass die Regierung erneut Unverständnis und Verdrossenheit hervorgerufen hat, mit der Bereitschaft der Bürger zu Zugeständnissen nicht respektvoll umging und den Zeitpunkt für einen gewagten Sprung zu Reformen verpasste. Die Leute brauchen wieder Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft, dann würden sie auch eher solch waghalsigen Unternehmungen wie dem Sparpaket zustimmen.

Eine kurze Erklärung

Die beste Rechtfertigung diesen Blog zu schreiben ist wohl der Blog selbst. Die Motivation dahinter ist zum gleichen Teil egoistisch wie auch vom Bedürfnis, meine Meinung zu teilen, getragen. Politik wird dabei das Hauptaugenmerk in diesem Blog sein. Oft wird mittlerweile eingeschlafen argumentiert oder nur, weil man bestimmten Lagern zugeordnet ist und es zum guten Ton gehört, eine meist konträre Meinung zu vertreten. Das langweilt mich und bringt keine Befriedigung. Deshalb lade ich euch herzlich ein, euch einmal abseits der großen Diskussionen mit mir auszutauschen. One-Man Think Tank sollte dabei nicht zu wörtlich genommen werden. Vielmehr lasse ich meinen Gedanken freien Lauf und wie eben auch allein Joggen die Laufgeschwindigkeit verlangsamen lässt, ist das auch bei Diskussionen mit sich selbst der Fall. Darum lasst uns gemeinsam Tempo gewinnen und aufgeweckt diskutieren.